Gefechte der Leidenschaft
konnte er zum St. Charles Hotel spazieren und seine Wahl unter den reichhaltigen Menüs treffen, die zwei Dutzend Vorspeisen und doppelt so viele Suppen und Salate beinhalteten, serviert unter gewaltigen Kristalllüstern, angeblich den größten in Amerika.
Die Lösung für sein Problem erschien in Gestalt einer Gumboverkäuferin, einer hoch gewachsenen Frau mit zimtfarbener Haut, einem blütenweißen Tignon, dessen Zipfel ihr wie Katzenohren vom Kopf abstanden, und einer behaglichen Leibesfülle, die für die Qualität ihrer Waren sprach. Die Wintersuppe in ihrem Kessel war nach einem beliebten Rezept von Alvarez' Küchenchef zubereitet und enthielt wie üblich Würstchen und Huhn. Sie duftete herrlich und Caid ging zurück ins Studio, um sich eine Schüssel davon zu genehmigen.
Nachdem er dieses vordringliche Problem gelöst hatte, wandten sich Caids Gedanken der Vereinbarung mit Madame Lisette Moisant zu. Welcher Teufel ihn geritten hatte, diese Abmachung zu treffen, konnte er nicht recht sagen, aber vielleicht hatte es etwas mit sanften grauen Augen und dem Mut der Verzweiflung zu tun. Auf jeden Fall war er eine Verpflichtung eingegangen und dazu musste er nun stehen.
Zunächst einmal galt es ein Haus zu finden. Für ihn selbst und seine bescheidenen Bedürfnisse wäre das kein Problem, doch für eine wohlhabende junge Witwe würde es wohl nicht so einfach werden. Was er brauchte, war ein guter Rat, und er wusste auch, wo er den finden konnte. Also ging er hinunter in das Studio, das direkt unter dem seinen lag.
Kaum hatte er den oberen Salon betreten, wurde er schon von Rio, dem Besitzer des Studios, begrüßt - oder richtiger von Damian Francisco Adriano de Vega y Riordan, frisch gebackener Conde de Lerida. Bei ihm hielt sich La Roche auf. Diesen bei den Kreolen sehr beliebten Vornamen hatte man dem Italiener verliehen, weil er beim Kämpfen wie ein Fels in der Brandung stand. Eigentlich hieß er Nicholas Pasquale oder vielleicht auch ganz anders, da viele Fechtmeister einen Künstlernamen bevorzugten und es in den Fechtsalons zum guten Ton gehörte, bei solchen Dingen nicht allzu genau nachzufragen. Die beiden Männer wirkten entspannt, wie sie da auf ihren Stühlen lümmelten, doch das schien nur so. Ihnen entging kaum etwas von dem, was im Salon oder unmittelbar vor der Tür geschah. Ihre Wachsamkeit erschien Caid sehr vertraut, da sie auch ihm zur Gewohnheit geworden war.
An diesem Tag hatte Rio seinen sa Ile d’armes geöffnet, doch wegen der nachmittäglichen Essenszeit gab es gerade nichts zu tun. Er deutete auf einen Stuhl und füllte dann für Caid ein Glas aus einer Flasche Bordeaux, die auf dem
Tisch neben einer offensichtlich neuen Degenschatulle stand.
»Wo hast du dich denn herumgetrieben, mon ami? «, fragte La Roche, lehnte sich zurück und setzte seinen Stiefel auf die Querleiste des Stuhls neben sich. »Gestern Abend bin ich bei dir gewesen und heute ganz früh noch einmal, aber du warst nie zu Hause.«
»Du musst entschuldigen«, antwortete Caid mit einem schiefen Lächeln, »aber ich nehme an, es war nichts Wichtiges, oder? Hattest wieder mal einen Ausflug nach The Twin Oaks zu einer deiner Freundinnen gemacht oder etwas Ähnliches? «
»So was in der Art«, bestätigte der Italiener achselzuckend.
»Dann ist es ja gut.« Caid konnte sich nie genug darüber wundern, wie La Roche es fertig brachte, fast die ganze Nacht mit heimlichen Rendezvous zu verbringen, über die er kaum ein Wort verlor, und dann am nächsten Morgen frisch und munter zur Arbeit in seinem Studio zu erscheinen. Mit seinem dunklen Haar, den dunklen Augen und der rührenden Zartheit, die er Frauen gegenüber an den Tag legte, war er schon berühmt für seine Eroberungen, obwohl er sich erst seit kurzem in der Stadt aufhielt.
»Wo warst du denn nun?«
»Anderweitig beschäftigt.«
»Ah ja«, sagte La Roche wissend.
»Warst du bei einer Dame?«, fragte Rio, der neben dem Italiener saß. »Ich dachte, du hättest keine Zeit für die Frauenzimmer.«
»Es musste sein«, antwortete Caid, dem die Hitze in den Nacken stieg. »Außerdem habe ich nie behauptet, ich hätte keine Zeit. Ich habe nur was Besseres zu tun als mich vor dem Haus irgendeiner Frau herumzudrücken wie ein streunender Köter. Nur weil dich die reizende Celina bald am Bändel hat, heißt das noch nicht, dass wir anderen es dir unbedingt nachmachen wollen.« Rio war mit Celina Amalie Vallier verlobt, ohne Zweifel eine Liebesverbindung, obwohl die
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