Gefechte der Leidenschaft
ganz New Orleans von dieser Religion — oder zumindest ihren auffälligeren Erscheinungsformen - durchdrungen. Ursprünglich in Afrika beheimatet, war der Voodoo im vergangenen Jahrhundert mit den Sklaven in die Stadt gekommen. Durch diejenigen, die etwa vierzig Jahre zuvor mit ihren Herren vor dem Sklavenaulstand aus Santo Domingo flohen, erlebte er dann einen weiteren Aufschwung. Von Form und Inhalt her war Voodoo einstmals ein rein heidnischer Kult gewesen, doch durch die Übernahme katholischer Riten entstand ein Gemisch aus heidnischem und christlichem Glauben, wobei sich viele Menschen besonders zu den gefährlicheren Seiten des Kultes hingezogen fühlten.
»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen einen Trank brauen.« Die großen, mandelförmigen Augen der Friseurin blickten Lisette mit hypnotischer Kraft aus dem Spiegel an.
»Oh, wirklich?«
»Er könnte Ihnen für alles Mögliche nützlich sein: damit Ihr Mann Sie begehrt und Sie immer liebt oder damit er nicht fremdgeht. Und wenn er Sie verlässt, können Sie ihn mithilfe des Tranks bestrafen.«
»Ich habe keinen Mann.«
»Dann wird der Trank Ihnen einen verschaffen.«
Lisette lachte leise.
»Machen Sie sich über mich lustig? «
»Nein, nein«, erwiderte sie beschwichtigend, um die
Gefühle der Frau nicht zu verletzen. »Du scheinst dir nur so sicher zu sein.«
»Das bin ich auch. Wollen Sie den irischen Fechtmeister? «
Lisette rührte sich nicht. »Was weißt du von ihm?«
»Alles«, stieß Marie Laveau mit dunkler Stimme hervor. »Ich bin eine Priesterin. Mir bleibt nichts verborgen.«
»Ich dachte ... das heißt, ich habe gehört, dass du eine Anhängerin des Priesters Dr. John bist.«
»Noch, aber nicht mehr lange.«
Der Ausdruck auf dem Gesicht der Frau war unergründlich. Es wurde gemunkelt, dass sie und Dr. John ein Liebespaar waren. Er war ein großgewachsener Schwarzer mit tätowiertem Gesicht, der behauptete, der Sohn eines afrikanischen Königs und oberster Voodoopriester in New Orleans zu sein. Wollte Marie Laveau in ihrem Ehrgeiz noch höher hinaus? Selbst wenn es so war, ging es Lisette nicht das Geringste an und so sagte sie nur: »Es könnte gefährlich sein, einen maitre d'armes mit einem Zauberbann zu belegen.«
»Das Leben ist gefährlich genug, Madame, was macht es da schon aus, noch ein kleines Risiko mehr einzugehen?«
Das war nur allzu wahr, dachte Lisette. Man brauchte bloß an Eugene zu denken: gestern noch am Leben, heute schon tot. »Würde es viel kosten? Weißt du, vielleicht benutze ich es ja, vielleicht aber auch nicht.«
»Für Sie nicht viel, denn Sie haben sich der Hungrigen angenommen und den Schutzlosen Obdach gegeben.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie in Richtung der Dienstbotenunterkünfte draußen im Hof und dann auf den kleinen Hund, der zusammengerollt zu Lisettes Füßen lag.
»Das war doch nichts Besonderes.« Seltsam verlegen wandte Lisette den Blick ab. Sie hatte nur getan, was ihr in dem Augenblick geboten schien.
»Für Sie vielleicht nicht, doch alles zählt. Ihr Trank wird bald fertig sein.«
»Und die Bezahlung?«
»Sie wissen, wo Sie mich finden können.«
Lisette war klar, dass sie nicht so weit hätte gehen sollen. Dennoch mochte sie jetzt keinen Rückzieher machen, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass sie nicht an Marie Laveaus Macht glaubte. Am besten wäre es, das Zeug anzunehmen und dann wegzugießen. Selbstverständlich würde sie es niemals gebrauchen. Schließlich war sie eine zivilisierte Frau, die eine sorgfältige Erziehung bei den Nonnen genossen hatte. Solche Dinge waren unter ihrer Würde.
Sie würde es nie und nimmer gebrauchen. Sie wollte keinen Mann und hatte es bestimmt nicht nötig, sich auf diese Weise einen zu verschaffen.
Nein, das nun wirklich nicht.
Sechstes Kapitel
Eine kleine Gesellschaft, hatte Mademoiselle Vallier versprochen. Nur Familie und Freunde, hatte sie versichert. Caid schnaubte ungehalten, als er mindestens fünf Dutzend Leute, wenn nicht noch mehr, im Haus zählte. Wenn das hier eine kleine Gesellschaft war, dann war er ein verdammter britischer Grenadier.
Die Zimmer erglänzten im Licht der Kerzen in den mehrarmigen Leuchtern und der Tranlampen auf den Tischen, denn Monsieur Vallier lehnte die neumodische amerikanische Gasbeleuchtung ab. Kühle Nachtluft wehte durch die Glastüren der Balkone, die zur Straßenseite und zu dem mit Kienfackeln erleuchteten Innenhof lagen. Aus der Küche im Hof drang der Geruch nach Holzrauch und Speisen und
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