Gefechte der Leidenschaft
verkleidet den Zug begleiteten. Die meisten nahmen hoch zu Ross an der Parade teil, nur einige wenige fuhren in Kutschen. Ihre Gesichter waren hinter fantasievollen und grotesken Masken verborgen und sie trugen die üblichen Dominos oder lange Capes, die ihre Kleidung bedeckten. Es waren selbstverständlich lauter Männer, denn solch eine öffentliche Darbietung war nichts für Frauen. Hunde rannten ihnen bellend nach und Straßenjungen begleiteten lachend und schreiend den Zug. Ebenso wie die Reiter waren sie über und über mit Mehl bestäubt, das die Zuschauer von den angrenzenden Baikonen warfen. Doch die Rangen ließen sich nicht entmutigen, sondern krabbelten im Rinnstein umher auf der Suche nach den Dragees, die die Reiter geworfen hatten. Caid hatte gehört, dass diese verzuckerten Mandeln, die gewöhnlich im Süßwarenladen in spitzen Papiertüten verkauft wurden, schon als fester Brauch zu der Reiterparade gehörten. Er selbst sah dieses Spektakel jedoch zum ersten Mal.
Das Ganze schien wenig organisiert und nicht nach festgelegten Regeln abzulaufen. Jeder Mann hatte sein Reittier oder seine Kutsche nach Gutdünken und dem Inhalt seiner Brieftasche ausstaffiert. Es gab jede Menge Fahnen, Kokarden und Papierblumen. Auch die Kostüme waren nach persönlichem Geschmack ausgewählt worden und so sah man Harlekine, Piraten und Hähne, doch das Hauptthema war der Teufel, dicht gefolgt von albtraumhaften Schreckgestalten. Die Männer hinter den Masken waren größtenteils brave Bürger, kreolische Gentlemen mit viel Zeit für Müßiggang und Sinn für ausgelassene Scherze. Zwar nicht alle, doch die meisten von ihnen waren jung und unverheiratet.
Bei den Männern, die in Caids salle d’armes herumlungerten, war die Parade seit Wochen Dauerthema. Sie hatten ihn eingeladen mitzumachen, doch er hatte abgelehnt, da er weder Pferd noch Wagen besaß und es ihm gegen den Strich ging, eines von beiden für diesen frivolen Zweck anzuschaffen. Er hielt es mehr mit den gesetzteren älteren Kreolen, die die ganze Angelegenheit offen missbilligten und sie ein vulgäres Theater nannten, das hoffentlich bald sein Ende finden würde.
Diener mit Tabletts voller Champagnergläser gingen zwischen den Gästen auf dem langen Balkon umher. Als die Hauptgruppe der Kostümierten vorüberzog, jubelten alle, und als Monsieur Vallier einen allgemeinen Toast ausbrachte, applaudierten sie und erhoben ihre Gläser. Endlich marschierte der letzte Fackelträger vorüber. Ein als Furcht erregender wilder Eber verkleideter Reiter, der einen Umhang mit dem Kreuz des Johanniterordens trug, bildete die Nachhut. Hinter ihm zogen nur noch vereinzelte Nachtschwärmer einher, unter ihnen viele Frauen von zweifelhafter Tugend. Der wilde Eber lenkte sein Pferd bis unter den Balkon, stellte sich in den Steigbügeln auf und blickte prüfend die Reihe der Zuschauer an der Brüstung entlang. Er schien jemanden zu suchen - vielleicht war einer seiner Freunde unter den Gästen Valliers. Dann kniff er die Augen zusammen und griff in den Sack, der, wie bei den Drageewerfern, an seiner Seite hing. Die Leute auf dem Balkon beugten sich lachend vor, um die Süßigkeiten zu fangen, und für einen Augenblick war Caid die Sicht versperrt. Plötzlich sirrten unzählige Geschosse durch die Luft. Weiß, rosa, gelb und grün und hart wie Hagelkörner sausten sie auf den Balkon zu. Ein paar knallten gegen die Mauer, doch die meisten trafen die Damen, die, ihre Begleiter hinter sich, ganz vorn an der Brüstung standen. Frauen kreischten. Eine schrie auf und fuhr herum, dass ihre dunklen Seidenröcke flogen.
Lisette!
Ohne zu zögern drängte sich Caid durch die Menge der Gäste, die sich vor dem Bonbonhagel in Sicherheit brachten, zu ihr hindurch. Er griff nach Lisettes Schulter und versuchte, ihr ins Gesicht zu sehen, das sie mit den Händen bedeckt hielt. »Was ist los? Sind Sie verletzt?«
»Mein Auge.« Ihre Worte kamen gedämpft. »Etwas hat mich am Auge getroffen. Es fühlte sich an wie ein Ziegelstein.«
Es war tatsächlich ein Ziegelstein oder zumindest ein Stückchen davon, das wohl zusammen mit den Dragees geworfen worden war und nun vor ihnen auf dem Boden lag.
Caid umfasste ihre Handgelenke und zog ihr die Hände vom Gesicht. Lisettes rechtes Auge war rot und begann zu tränen, sodass sie es kaum offen halten konnte. Aus einem kleinen Riss direkt unter der Augenbraue sickerte Blut. »Können Sie etwas sehen?«
»Ja, aber Ihr Gesicht ist ganz
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