Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)
Mantel, Schal und Handschuhe an, hing mir die Reisetasche und meine Handtasche über die Schulter, packte Caroline in eine Wolldecke und huschte aus der Wohnung wie ein Fuchs mit seiner Beute. Ich konnte es nicht riskieren, Caroline zu wecken, um ihr den Schneeanzug überzuziehen. Das würde ich im Wagen tun.
Ich fuhr mit dem Aufzug zur Straße hinunter und rannte mit meinen Bündeln zum Wagen. Die Tragetasche stand auf dem Rücksitz, ich hatte vergessen, sie mit hinaufzunehmen. Ich zog Caroline ihren Schneeanzug über. Sie wachte auf und begann zu weinen, aber als ich den Motor anließ, beruhigte sie sich wieder.
Es war fast kein Benzin mehr im Tank, deshalb fuhr ich als erstes zu einer Tankstelle.
»Haben Sie eine Karte?« sagte ich zu dem Tankwart dort.
»Eine Karte von wo?« fragte er.
»Ganz gleich«, antwortete ich.
»Warten Sie, ich schau nach«, sagte er.
Ich blieb im Wagen sitzen und wartete. Die Stadt war still, ohne Leben. Als er zurückkam, sagte er: »Ich hab nur Neu-England da.«
»Wunderbar«, sagte ich, »geben Sie her.«
Ich schaltete die Innenbeleuchtung ein, entfaltete die Karte und breitete sie über dem Armaturenbrett aus. Ich suchte, bis ich einen Punkt fand, wo ich sicher zu sein glaubte. Ich faltete die Karte wieder zusammen, knipste das Licht aus, ließ den Motor an.
Ich kurbelte das Fenster herunter, zog meinen Ehering vom Finger und warf ihn in die Dunkelheit hinaus. Ich hörte ihn nicht aufschlagen.
Es war vier Uhr morgens, und ich war auf dem Weg nach Nordosten.
Jeffrey Kaplan
Und was macht der alte Ed Hargreaves? Hält wohl die Zügel fest in der Hand, hm?
Genau. Genau.
Und Mark Stein, was ist aus dem geworden? Hat wohl Harrolds Gebiet übernommen.
Mein Gott, das ist wirklich eine schlimme Geschichte, nicht wahr? Entsetzlich. Ich war wie vor den Kopf geschlagen, als ich davon hörte. Ich hatte ja keinen Schimmer, nicht den geringsten.
Ich war bis zum 1. Dezember bei der Zeitschrift, wie Sie wissen. Maureen English hatte im Jahr davor aufgehört. Ich kannte die beiden ganz gut. Das heißt, ich glaubte , sie gut zu kennen. Da sieht man’s mal wieder, nicht?
Sie war eine ruhige Person. Aber unheimlich gut, ja wirklich, unheimlich gut. Ich dachte immer, sie würde mal ganz groß rauskommen, eine tolle Karriere machen, bis sie dann nicht mehr reisen konnte, weil sie es nicht vertrug. Wirklich schade. Sie sagte damals, die Ärzte hätten alles versucht, aber es hätte nichts geholfen, es hätte etwas mit dem Innenohr zu tun. Na ja, dann hab ich sie redigieren lassen. Mann, war die Frau schnell. Wenn man der am Morgen eine Akte gegeben hat, hatte man spätestens am Abend die Story zurück.
Sie war sehr attraktiv. Sie haben sie ja kennengelernt. Es war klar, daß da schnell einer zugreifen würde. Daß Harrold derjenige war, hab ich allerdings eine ganze Weile nicht mitgekriegt. Die beiden waren in der Redaktion immer ganz cool. Ich fand immer, sie hätte einen gewissen Stil. Man sah es ihr an. Ich meine jetzt nicht von ihrer Familie her. Über ihre Herkunft wußte ich nicht viel. Es war allerdings offensichtlich, daß sie irischer Abstammung war. Sie hieß übrigens Maureen Cowan, als sie bei der Zeitschrift anfing. Nein, ich meine eher die Art, wie sie sich verhielt. Sie war zurückhaltend, nicht jemand, der ständig sein eigenes Loblied sang. Die beiden haben sich übrigens in meinem Büro kennengelernt.
Ja, wirklich. Lassen Sie mich mal überlegen. Ich war im Büro. Er war bei mir, weil er irgendwas an einer Schlagzeile zu beanstanden hatte, glaube ich. Ich weiß es jetzt nicht mehr so genau. So was in der Art. Und es war ihr erster Arbeitstag. Ja, richtig. Sie kam zu mir, um mich was zu fragen. Sie war sehr nervös an dem Tag, ausgesprochen nervös, ja. Sie spielte dauernd an ihrer Halskette herum und wagte kaum aufzuschauen. Ich hab natürlich gesehen, wie Harrold sie ansah und ihr zulächelte, aber ich hab mir damals nicht viel dabei gedacht. Sie wäre jedem aufgefallen. Ich fand das damals nicht besonders bedeutsam. Aber wie ich jetzt weiß, haben sich die beiden ziemlich bald danach gefunden.
Tja, und Harrold? Er hat damals ein paar großartige Texte abgeliefert. Das war die Hochzeit der Zeitschrift. Wir hatten Joe Ward, Alex Weisinger und Barbara Spindell. Tolle Zeiten. Manchmal sehne ich mich direkt nach ihnen zurück. Das Verlagsgeschäft ist da schon was ganz anderes. Ich hab den Journalismus aufgegeben, weil die ewigen Überstunden meine Frau wahnsinnig
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