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Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Gefesselt in Seide: Roman (German Edition)

Titel: Gefesselt in Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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ging weiter.
    Wir sagten nicht »Bis bald mal«, oder »Nett Sie kennengelernt zu haben«.
    Ich war schon auf halbem Weg zum Haus, als ich hinter mir den Motor des Pick-ups anspringen hörte. Einen Moment lang umfaßte mich das Licht seiner Scheinwerfer, und ich war mir plötzlich meiner Haltung bewußt, dann war der Wagen vorüber und ratterte die Straße hinauf. Ich blieb stehen und sah ihm nach. Die Lichter glitten schwankend über die unebene Straße, dann bog er nach links auf die Küstenstraße ab, und ich konnte nur noch den Lichtstreifen sehen, der sich nach Süden bewegte, dem Dorf entgegen.
    Meine Tage bekamen einen festen Rhythmus. Er stellte sich ein, noch ehe ich es bemerkte. Ein gleichbleibendes Muster, das sich mir beharrlich aufdrängte.
    Jeden Morgen erwachte ich vom leisen Brummen eines Motors unten auf der Straße. Vor dem Fenster zeigte sich ein erster Schimmer Grau, Vorbote des beginnenden Tages. Jeden Tag lag ich da und lauschte, wie einer oder mehrere Pick-ups auf dem Sand die Landzunge hinunterfuhren, und nach einer Weile wurden mir die alltäglichen Geräusche vertraut: Der Knall einer Wagentür, die geschlossen wurde, das Scheppern von Geräten, die über eine metallene Ladefläche gezogen wurden, das leise Plätschern, wenn ein Boot ins Wasser gezogen wurde, das Knarren von Holz unter menschlichem Gewicht, der Wellenschlag des Kielwassers, das gegen ein größeres Boot brandete. Wenig später kam dann der andere Motor in Gang, stotterte noch ein wenig, als wollte er aufgeben, dann folgte, wenn das Boot ablegte, das gedämpfte Tukkern, das allmählich in der Stille verklang.
    Ich machte jeden Tag mein Bett. Ich strich das Laken glatt und zog den Quilt bis über das Kopfkissen hoch. Diese Handgriffe hatten etwas klösterlich Reines und waren wie ein Symbol der Rückkehr in ein Leben allein. Wenn Caroline noch nicht wach war, pflegte ich in die Küche hinunterzugehen und mir eine Tasse Kaffee zu machen. Dann setzte ich mich in Nachthemd und Wolljacke an den Tisch und beobachtete das Farbenspiel des Wassers, während der Tag heraufzog.
    Anfangs konnte ich nicht lesen. Ich hatte die Bücher, aber sie lagen tagelang ungeöffnet auf dem Tisch. Ich wollte nur schauen.
    Es war Winter, tiefster Winter, die ganze Natur ruhte, und doch überraschte mich die unglaubliche Veränderlichkeit der Landschaft immer von neuem. Manchmal zog sich das Wasser bei Ebbe so weit zurück, daß in der Bucht nur Pfützen übrigblieben. Dann wieder, wenn Hochwasser war, schien die Landzunge vor mir zu einer nadeldünnen Spitze geschrumpft.
    Ich wußte so wenig. In den ersten Tagen konnte ich den Wechsel der Gezeiten überhaupt nicht voraussagen, und er überraschte mich jedesmal. Immer hatte ich die Zeiten falsch geschätzt. Die Möwen am Himmel erkannte ich, aber es gab andere Vögel, die ich nie zuvor gesehen hatte. Manchmal glaubte ich Robben zu sehen, aber wenn ich dann noch einmal hinsah, entpuppte sich der dunkle Bukkel, den ich für eine Robbe gehalten hatte, als nichts weiter als ein Fels, den das Wasser umspülte.
    Ich hatte natürlich die Hausarbeit zu erledigen. Ich gewöhnte mir an, die Kleider mit der Hand zu waschen, kochte die Windeln aus und hängte die Wäsche auf eine Leine hinter dem Haus. Es gefiel mir, wie das aussah – wie die kleinen Unterhemdchen neben meinen Jeans im Wind flatterten.
    Um mich herum sah ich überall fleißige Arbeit, und vielleicht färbte das auf mich ab. Wie konnte ich müßig sein, wenn jeden Morgen die Männer herauskamen, um ihre beschädigten Körbe und Fallen zu flicken oder aufs Wasser hinauszufahren? Erst hörte ich immer die Pick-ups, wenig später hörte ich einen Bootsmotor oder sah aus dem Fischhaus Rauch aufsteigen. Manchmal standen gleich drei oder vier Fahrzeuge draußen auf der Landspitze. Ab und zu hörte ich eine Stimme oder einen Fetzen Musik, manchmal auch einen Ausruf und danach ein Lachen. Und am frühen Nachmittag sah ich das grün-weiße Hummerboot hinter der walddunklen Insel hervorkommen. Der Moment war ein Meilenstein auf meinem Weg durch den Tag, und ich versäumte es nie, nach dem Mann im gelben Ölmantel Ausschau zu halten, wenn er zurückkehrte.
    Aber wenn der schwarze Pick-up auf der Straße verschwunden war, schien der Tag plötzlich an Schwung zu verlieren. Die Rhythmen, die ich wahrgenommen und erkannt, auf die ich mich verlassen hatte, verstummten, und die Stunden bis zur Dunkelheit waren irgendwie schwerer zu bewältigen. Ich versuchte meist,

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