Gefrorene Seelen

kurzer Zeit absperren. Aber sieh dir das an.«
    Der blaue Lieferwagen hatte eine Kurve geschnitten und raste nun auf der linken Fahrbahn einem Frontalzusammenstoß mit einem weißen Toyota entgegen.
    »Aus dem Weg«, schrie Delorme. »Aus dem Weg.«
    In letzter Sekunde wich der Toyota auf den Seitenstreifen aus, schleuderte wild und steuerte zurück auf die Fahrbahn. Cardinal schwitzte unter seiner kugelsicheren Weste. Um ein Haar hätte er die Insassen dieses Autos ums Leben gebracht. Seine Hände waren so feucht, dass er kaum das Mikrophon halten konnte. »Okay, Vierzehn – drängen Sie ihn jetzt ab. Holen Sie ihn von der Straße.«
    »Verstanden.«
    »An alle Einheiten. Blaulicht und Sirenen einschalten. Wir holen ihn jetzt von der Straße.« Dann zu Jerry gewandt: »Haben wirden Mann vom K-9 für den Fall, dass der Kerl sich in den Wald absetzt?«
    Jerry zeigte mit der Hand nach unten. »Greg Villeneuve. In dem grauen Lieferwagen vor der Feuerwehr.«
    Mit kreisendem Blaulicht beschleunigte der führende Streifenwagen jetzt stark. Selbst durch das Knattern der Rotorblätter hörte man noch das Geheul der Sirenen. Wieder steuerte der Lieferwagen nach rechts hinüber, geriet auf den Seitenstreifen und schoss wieder zurück auf die Fahrbahn. Als die Vierzehn auf der linken Fahrbahn zu ihm aufschließen wollte, riss der Fahrer des Lieferwagens das Steuer nach links.
    »Verdammt«, schrie Jerry. »Das war knapp.«
    Die Vierzehn zog mit dem Van gleich.
    »Vierzehn, Vierzehn. Bleiben Sie zurück. Hinter der nächsten Kurve steht ein Schneepflug. Ich wiederhole. Schneepflug hinter der nächsten Kurve, er steht auf Ihrer Fahrbahn.«
    Vierzehn antwortete nicht. Beide Fahrzeuge nahmen die Kurve, als ob sie an den Kotflügeln miteinander verschweißt wären. Noch ein paar Sekunden, und der Lieferwagen würde auf den Schneepflug auffahren.
    »Um Gottes willen, der Junge könnte hinten im Lieferwagen sein. Warum lassen sie sich nicht zurückfallen?«
    »Sie wollen überholen, dann bleibt nur eine Fahrbahn.«
    Delorme lehnte sich vom Fenster zurück in den Sitz. Sie konnte das nicht länger mit ansehen.
    In letzter Sekunde zog die Vierzehn vorbei und setzte sich vor den Lieferwagen, so dass die linke Fahrbahn frei war. Der Van scherte aus, um dem Schneepflug auszuweichen, geriet auf eine vereiste Stelle und schoss über zwei Fahrbahnen hinweg auf den Mittelstreifen.
    Rund hundert Meter fuhr der Lieferwagen auf Fahrbahn und Mittelstreifen zugleich. Die Vierzehn bremste, um nicht den Kontakt zu verlieren. Auf dem Mittelstreifen geriet der Van in tiefen Schnee. Die Räder begannen durchzudrehen, dann kippte der Wagenauf eine Seite und pflügte sich mit einer eleganten Drehbewegung funkenstiebend über die Gegenspur.
    »Gott sei Dank haben wir die Straße sperren lassen«, sagte Delorme.
    Der Lieferwagen krachte mit den Rädern in die Streckenpfähle, überschlug sich und schlitterte gegen eine Felsböschung, wo er schließlich Feuer fing.
    »Sofort landen. An alle Einheiten: Diesen Streckenabschnitt hermetisch abriegeln. Das Feuer löschen und die Geisel befreien. Ich wiederhole. Im Lieferwagen könnte sich eine Geisel befinden. Sie muss zuerst befreit werden.«
    Der Pilot setzte sie neben einem Holzlager ab, nachdem er mit Sirenengeheul eine Gruppe Holzfäller verscheucht hatte. Während die Polizisten in einen Streifenwagen stiegen, der auf sie wartete, riefen ihnen die hinter Holzstapel geflüchteten Arbeiter Verwünschungen nach.
    Als Cardinal das Autowrack erreichte, war das Feuer bereits gelöscht und die rußgeschwärzte Karosserie mit Schaum bedeckt. Ein Feuerwehrmann sprang aus der offenen Seitentür und schüttelte den Kopf.
    »Niemand drin?«
    »Keine Geisel, auch nicht der Fahrer.«
    »Da drüben ist er. Sie haben ihn.« Jerry Commanda zeigte auf den Mittelstreifen. Vierhundert Meter weiter zurück parkte ein Streifenwagen auf dem Mittelstreifen. Zwei Beamte richteten ihre Waffe auf eine reglos im Schnee liegende schwarze Gestalt. Zwanzig Sekunden später bildete der Mann den Zielpunkt von einem halben Dutzend Gewehren, die einen Halbkreis um ihn bildeten.
    Der Mann lag mit ausgebreiteten Armen wie ein Ertrunkener auf dem dunklen Schiefergrund. Plötzlich stöhnte er auf und hob den Kopf. Larry Burke kam die Böschung herunter und legte ihm Handschellen an. Dann drehte er ihn um und klopfte ihn ab. »Keine Waffen, Sir.«
    »Ausweispapiere?«
    Burke wühlte in einer Brieftasche und holte den Führerschein heraus.