Gefuehlschaos inklusive
freue mich, dass der Himmel an diesem Abend so viele Überraschungen für uns bereithielt.
Die Ernüchterung
Sachte klopft es an meine Tür. Ich schrecke verschlafen hoch und schaue auf meine Armbanduhr. Ich muss wie eine Tote geschlafen haben. Es ist schon halb elf.
„Claudia? Bist du wach?“, höre ich Olivers Stimme vor meiner Tür fragen.
Jetzt schon!
„Das Wetter ist großartig. Wir wollen einen Spaziergang machen. Kommst du mit?“
Ich ziehe mir die Bettdecke über den Kopf und rolle mit den Augen. Laufen! Am frühen Morgen. Wer hat sich das denn ausgedacht?
„Ja, ich komme gleich.“ Muss nur noch ein Stündchen schlafen.
Nach dem Frühstück marschieren wir los. Oliver und ich sind die letzten der Gruppe und haben Mühe, Schritt zu halten, da wir ununterbrochen mit Herumturteln beschäftigt sind.
„Mein Vater steigt übrigens aus der Firma aus“, erzählt er nun freimütig. „Stefans Homosexualität war zwar ein Schock für ihn, aber es hat ihn nicht so hart getroffen wie befürchtet.“
„Das ist doch sehr erfreulich. Und wer bekommt die Firma nun?“
„Stefan und ich sind gleichberechtigt. Jeder erhält den gleichen Anteil.“
„Aber das ist ja wunderbar!“ Ich bleibe stehen und nehme Oliver in den Arm. „Es wäre dir gegenüber nicht fair gewesen, wenn Stefan alles bekommen hätte. Und das wollte er ja auch gar nicht. Somit ist doch alles gut gelaufen.“
Oliver lächelt und wickelt seine Arme fest um mich herum.
„Ja, jetzt fehlt mir eigentlich nur noch eins zum Glück.“
„Und das wäre?“
„Heiraten und viele kleine Kinder zeugen.“ Herausfordernd zwinkert er mir zu, aber ich ziehe es vor, auf diese Bemerkung hin zu schweigen.
In meiner Fantasie sehe ich mich mit einer handvoll kleiner schreiender Monster, die mir den letzten Nerv rauben und mir auf der Nase herumtanzen. Oliver kommt ausgesprochen gut erholt von der Arbeit nach Hause, während ich, vom Hausfrauenalltag gestresst, Selbsttötungsabsichten hege.
Ich kneife die Augen zusammen und schüttele meinen Kopf, um mich auf diese Art der überzogenen Hirngespinste zu entledigen. Oliver wartet immer noch gespannt darauf, dass ich etwas auf seine Bemerkung erwidere. Doch ich lächle nur und wir setzen unseren Spaziergang fort.
Am späten Nachmittag treffen wir wieder in unserer Pension ein. Vom Fenster meines Zimmers aus beobachte ich, wie ein roter Golf auf den Hof fährt. Eine junge Frau steigt aus dem Wagen und betritt das Haus. Kurz überlege ich, wer diese dunkelblonde Person sein könnte, bis mir wieder einfällt, dass es sich sicher um Veronica Seiler, das neue weibliche Mitglied unseres Vereins, handeln muss. Mit ihr sind wir nun schon drei Frauen in unserem Verein.
Ich sehe Oliver vor meinem geistigen Auge und nun verstehe ich meine Panik nicht mehr, die mich packte, als er vom Heiraten sprach. Grundsätzlich ist gegen eine spätere Heirat mit dem richtigen Mann nichts einzuwenden. Auch Kinder könnte ich mir vorstellen. Aber es ist noch viel zu früh, darüber nachzudenken. Wir kennen uns kaum und wir sollten uns Zeit geben. Ich spüre das Bedürfnis, mit ihm noch einmal darüber zu reden, und verlasse mein Zimmer. Doch auf dem Gang sehe ich Oliver umschlungen mit einer Frau vor seiner Zimmertür. Es ist Veronica. Mein Gott, jetzt begreife ich! Das neue weibliche Mitglied ist Veronica, die Veronica – Olivers graue Maus! Oliver wird auf mich aufmerksam und löst sich aus der Umarmung.
„Claudia, bitte versteh das nicht falsch. Das ist alles ganz harmlos“, beteuert er und läuft mir entgegen. Mir schießt eine unbändige Wut in den Bauch und am liebsten hätte ich Oliver die Treppe hinuntergestoßen oder ihn an einen Marterpfahl gebunden und mit vergifteten Pfeilen auf ihn geschossen. Warum passiert immer mir so etwas? Wäre ich Oliver hier doch bloß nicht begegnet. Ich wollte Frieden und Zeit zum Nachdenken finden. Stattdessen finde ich Oliver mit einer anderen Frau vor. Jetzt habe ich nur noch einen Wunsch: weit weg von hier zu sein. Daher laufe ich aufgebracht davon. Draußen auf dem Hof verschafft mir die kalte Luft wieder einen klaren Kopf. Habe ich vielleicht überreagiert? Was, wenn die Umarmung wirklich nur rein freundschaftlich war?
„Hier bist du!“, stellt Oliver fest, als er aus dem Haus tritt. „Komm wieder rein, es ist hier draußen viel zu kalt.“ Ich rühre mich nicht von der Stelle. „Du darfst bitte keine falschen Schlüsse ziehen, Claudia. Veronica und ich
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