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Gefürchtet

Titel: Gefürchtet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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bekam.
    Draußen hörte ich das Getrappel kleiner Füße, die es sehr eilig hatten. »Tante Evvie! Wir sind da.«
    Meine Ängste waren vergessen. Ich stieß einen Jubelschrei aus. »Luke!«

    Er rannte leichtfüßig über den Plattenweg. Das Kind schien gar nichts zu wiegen. Das schwarze Haar flog ihm um den Kopf, sei ne Augen glänzten, und er strahlte über das ganze Gesicht. Als ich nach draußen lief, warf er sich mir in die Arme.
    Ich wirbelte ihn herum. Er roch wie eine frische Brise. »Mensch, bist du schwer«, sagte ich, obwohl er leicht war wie eine Feder.
    »Ich bin ja auch kein Baby mehr.«
    Nein, das war er nicht. Mein Neffe war sieben Jahre alt und hatte schon viel erleben müssen. Trotzdem war er der liebenswerteste Mensch, den ich kannte. Ich küsste ihn, und er küsste mich wieder. Es war ein Augenblick rei nen Glücks.
    Das Gartentor vorn an der Straße scharrte auf den Stei nen. Ich wollte schon meinen Bruder begrüßen, aber der war es nicht.
    »Marc«, sagte ich.
    Im Licht des Wintertags wirkte Commander Marcus Dupree wie massiver Basalt. Schwarze Jeans, schwarzer Rolli, Haut wie Bitterschokolade, Pilotenbrille. Er tippte sich an die Stirn und schlenderte auf uns zu.
    »Schön, dich zu sehen, Evan.« Seine Stimme war der reinste Samt: Barry White, nur neun zig Kilo leichter. »Das war keine angenehme Fahrt, aber zum Glück ist ja alles gut ausgegangen.«
    Sein melancholisches Lächeln verriet mir, wie verzweifelt mein Bruder gewesen sein musste, bis sich herausstellte, dass alles ein Irrtum war. Wenn er Marc mit auf eine dreihundert Kilometer lange Fahrt nahm …
    »Du bist ein echter Kumpel, Dupree«, sagte ich.

    Hinter ihm erschien Brian mit sei nem Seesack, den er fallen ließ, um mich in die Arme zu schließen.
    »Du hast wirklich sieben Leben, Schwesterchen.« Er küsste mich auf den Kopf. »Aber mir wachsen allmählich graue Haare deinetwegen.«
    Ich musterte ihn eingehend. »Merkt man dir aber nicht an.«
    Tatsächlich sah er gut aus. Er wirkte so kantig wie immer, aber das schwarze Haar und die dunklen Augen glänzten. Seine coole Fassade war undurchdringlich. Nur kei ne Gefühle zeigen …
    »Jetzt erklär mir mal, wie das passieren konnte«, sagte er, als wir gemeinsam zum Haus schlenderten. »Jesse hat mir nicht viel erzählt.«
    »Der konnte nicht reden, weil wir im Kühlraum der Leichenhalle standen«, erwiderte ich, ohne zu überlegen.
    Luke fuhr herum und starrte mich mit großen Augen an. Brian legte mir die Hand in den Nacken und schob mich weiter. Offenbar wollte er nicht, dass ich in Lukes Anwesenheit über den Tod sprach. Aber das Thema ließ sich nicht vermeiden. Deswegen waren sie schließlich hier.
    »Kreditkartenbetrug. Das Mädchen hatte Karten und einen Ausweis auf meinen Namen bei sich«, erklärte ich.
    Luke hüpfte auf und ab und zupfte an meinem T-Shirt. »Wo ist Jesse?«
    Ich zeigte zum Haus. »Ruf ihn an.«
    Brians Griff in mei nem Nacken wurde fester. Super. Jesse war noch gar nicht da, und Brian war schon sauer auf ihn. Wenn mein Liebster dann noch ein paar seiner schlauen Blackburn-Sprüche von sich gab, gingen sich die beiden wahrscheinlich direkt an die Gurgel.
    Familientreffen sind doch immer wieder eine Freude.

    »Wenn ich das richtig interpretiere«, begann Brian, der auf einem Küchenhocker saß und das Etikett von einer Flasche Dos Equis pulte, »hast du ereignisreiche vierundzwanzig Stunden hinter dir. Deine Identität wird gestohlen, jemand räumt Slink Jimsons Konto ab, zwei Geldeintreiber lassen dich im Wasser planschen, und die Leiche der Betrügerin wird an den Strand gespült. In Santa Barbara ist ja mehr los als in Bangkok.«
    »Die Sache läuft offenbar schon seit Monaten, aber bis vor vierundzwanzig Stunden wusste ich nichts davon.«
    »Kommt mir vor wie ein verstopftes Rohr, in dem der Druck wächst und wächst, bis die gan ze Chose explodiert. Fragt sich nur, was die Explosion ausgelöst hat.«
    Draußen vor den Glastüren tigerte Luke auf dem Gartenweg auf und ab. Er warf ei nen Blick in unsere Richtung. »Wie lange noch?«
    Ich zuckte die Achseln und lächelte ihn an. »Du wartest doch erst seit einer Viertelstunde.«
    Er wanderte hin und her. Marc stand ein wenig abseits im Wohnzimmer und beendete gerade ein Telefongespräch.
    »Ich hab euch auch lieb«, verabschiedete er sich.
    Obwohl ich vorgab, nichts zu hören, überraschte mich die Wärme in seiner Stimme. Ich kannte ihn als verlässliche Kraft im Leben meines Bruders - halb

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