Gefürchtet

Abend verdorben mit dei nem Notruf. Ich hole Hil fe für einen Jungen auf dem Horrortrip, und auf einmal wimmelt es nur so von Uniformierten.«
    Er fixierte mich, schien mich aber nicht wirklich zu sehen. Offenkundig schwirrte ihm etwas anderes im Kopf herum.
    »Ich habe mich über dich informiert«, sagte er. »Kathleen Evan Delaney.«
    Er stand auf und ging zum hinteren Ende der Kajüte, wo er Mullbinden, eine Leuchtpistole und ein silbernes Zigarettenetui aus dem Erste-Hilfe-Kasten nahm. Nachdem er sich selbst bedient hatte, bot er mir das Etui an.
    »Nein danke.«
    Er zündete den Joint an, inhalierte und hielt die Luft einige Sekunden in den Lungen zu rück, bevor er wieder ausatmete.
    »Merlin hat sich das Grundbuch angeschaut. Das Haus, in dem du wohnst, gehört einer gewissen Familie Vincent, aber im Telefonbuch steht eine K. E. Delaney. Das heißt, dass eine solche Person existiert. Wir wissen, dass sie Kreditkarten besitzt. Und ein Bankkonto.« Er gönnte sich einen weiteren Zug. »Auf das sie ungedeckte Schecks ausstellt.«
    Der süßliche Rauch erfüllte die Luft. Er legte den Joint in den Aschenbecher und wühlte in dem Wirrwarr auf dem Tisch herum. Popcorn und eine Tüte Schokokekse landeten auf dem polierten Holzboden, bis er ein abgegriffenes Taschenbuch fand. Es war mein Roman Lithium Sunset.

    »Am merkwürdigsten ist, dass diese Evan Delaney ein Buch geschrieben hat. Kein Foto auf dem Umschlag. Vielleicht bist du das, vielleicht ist es irgendein Schreiberling, den der Verleger engagiert hat. Aber das Buch handelt von einer Guerillakämpferin, die sich Rowan Larkin nennt.«
    Er lehnte sich zurück und öffnete das Buch, in dem er mit gelbem Textmarker ganze Passagen markiert hatte. Die Ränder waren mit Bemerkungen in win ziger Schrift bekritzelt. Mich überlief es eiskalt. So etwas taten nur krankhaft Zwanghafte oder End zeitpropheten, die die Bibel nach Hinweisen auf die Apokalypse durchforsteten.
    »Ganz schön extremes Zeug. Diese Rowan braucht ei nen Kerl nur anzustarren, und schon verbrutzelt ihm das Gehirn.« Er musterte mich eingehend. »Ist das die Botschaft? Wenn Männer unbequem werden, bringen die Frauen sie um den Verstand?«
    Er nahm einen Zug von seinem Joint.
    »Du hast Psychospielchen mit mir getrieben. Du solltest die stille Partnerin sein, die Vermittlerin, die sich um die Bezahlung kümmert. Stattdessen hast du das Geld selbst eingesteckt und mich im Regen stehen lassen.«
    Stille Partnerin. War die andere Partnerin Brittany Gaines gewesen, die nun wirklich für immer verstummt war? Wieder roch ich den fauligen Meeresgestank, der die Leichenhalle erfüllt hatte, und sah Brittanys zerfetzte Kehle vor mir. Hier ging es nicht um Geld, hier ging es ums nackte Überleben.
    »Ich …«
    »Unterbrich mich nicht.«
    »Aber …«
    »Kein Wort.«

    Keine Erklärung, kein noch so überzeugender Identitätsnachweis konnten diesen Mann zufriedenstellen. Nicht, wenn er diese Art von Recherche betrieb.
    »Du hast dich Merlin gegenüber als Rowan ausgegeben, was natürlich ein Deckname ist. Vielleicht bist du Delaney, vielleicht ist das ein Pseudonym.« Er drehte den Joint zwischen zwei Fingern. »Auf jeden Fall bist du in der Unterhaltungsbranche.«
    Er drehte mein Buch um und betrachtete mit zusammengekniffenen Augen den Buchrücken. »Arcturus.«
    Dann musterte er mich so erwartungsvoll wie ein Professor seine Studentin.
    »Das ist der Verlag«, sagte ich.
    »Ein Unternehmen von Spillhouse Media.«
    »Ja.«
    »Und Spillhouse Media gehört der VZG Group.«
    Was spielte das für eine Rolle? Worauf wollte er hinaus?
    »Die wiederum Radiosender in den Vereinigten Staaten und Kanada und Minderheitsbeteiligungen an Filmproduktions- und Schallplattenfirmen mit Sitz in Hollywood und Nashville besitzt.«
    Das war mir neu. In zwischen zitterten mir auch noch die Knie. Ich warf einen Blick auf das Wall Street Journal. Seine Augen glänzten fanatisch.
    »VZG ist einer der größten Unterhaltungskonzerne Nordamerikas. Hast du gedacht, das finde ich nicht raus? Verdammt noch mal, ich hab einen Abschluss in Betriebswirtschaft. Mit neunzehn habe ich von meinem Studentenzimmer aus bereits halb Isla Vista mit Stoff versorgt.«
    Er kramte erneut in dem Chaos auf dem Couchtisch und fischte schließlich eine CD heraus, die er mir zuwarf wie ein
Frisbee. Ich fing das Ding nur mit Mühe. Es war Jimsonweeds letztes Album.
    »Das Plattenlabel von Jimsonweed ist Black Watch, und Black Watch g ehört zu d erselben