Gefürchtet
dafür?«
»Ja.« Wenn ich eine Niere verkaufte.
Das Kleid überstieg meine Möglichkeiten bei Weitem, aber die Hochzeit war schon am nächsten Tag, und ich hatte es Jesse versprochen. Mein Liebster, sein Cousin, die hysterische Braut und Jesses nörgelnde Mutter zählten auf mich. Dabei war ich praktisch arbeitslos und hätte eigentlich für das drohende Strafverfahren sparen müssen.
»Ich muss nur kurz bei der Kreditkartengesellschaft anrufen. Können Sie das Kleid so lange zurücklegen?«
Sie warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Selbstverständlich.«
Ich verschwand in der Umkleidekabine, drehte mich aber hilflos um mich selbst, weil ich den Reißverschluss nicht erreichen konnte. Notgedrungen musste ich wieder nach draußen. Dabei entdeckte ich den roten Kleinbus von Merlin und Murphy Ming, der auf dem Parkplatz vorbeifuhr.
Ich duckte mich hinter einen Kleiderständer. Der Kleinbus rumpelte davon. Aus dem Auspuff quoll blauer Rauch.
»Wollen Sie etwa nicht in mei nem Kleid gesehen werden?«, fragte Madame Kornelia beleidigt.
Ich huschte zur Verkaufstheke. »Helfen Sie mir mit dem Reißverschluss.«
Sie schnalzte missbilligend mit der Zunge und öffnete den Reißverschluss höchstens zehn Zentimeter weit. Ich flitzte um die Ecke in Richtung Anprobe und blieb wie angewurzelt stehen. Die Hintertür des Ladens stand offen. War das der Wind gewesen?
In der Durchfahrt hinter dem Einkaufszentrum rollte der rote Kleinbus vorbei. Ich stieß einen Laut des Entsetzens aus und hechtete in die Kabine, um in Deckung zu gehen.
Dort wartete Murphy Ming auf mich.
Er packte mich ohne Umschweife um die Taille und hielt mir den Mund zu.
»Rowan«, flötete er.
Der Kerl roch wie Frittierfett. Der hängende Schnurrbart ließ ihn träge wirken, aber sei ne Augen funkelten gereizt. Ich griff hinter mich und tastete nach dem Türknopf.
Als ich daran drehen wollte, riss Murphy mich mit einem Walzerschwung in die Luft und drückte mich gegen den Spiegel. Sein massiger Körper presste sich an mich wie ein gewaltiger Schinken, seine Lippen streiften meinen Hals.
»Das Geld.«
Sein feuchter Atem strich über meine Haut, und der struppige Schnurrbart kitzelte wie ein haariges Insekt.
»Gleich wird es ganz unangenehm für dich«, flüsterte er.
Er presste sich so dicht an mich, dass die Nieten an seinem Hundehalsband mein Schlüsselbein streiften. Ich konnte mich nicht rühren. Seine Oberschenkel fühlten sich warm an, und zu allem Überfluss spürte ich nun auch noch, wie sich zwischen seinen Beinen etwas zu regen begann.
»Aber das muss nicht sein. Es liegt bei dir. Kapiert?«
Ich nickte.
»Du hast die Wahl. Man hat immer die Wahl. Du handelst aus freiem Willen.«
Es klopfte leise an der Tür. Ich wand mich und stöhnte.
»Murph, hör auf mit dem Quatsch«, zischte Merlin von draußen. »Lass sie in Ruhe.«
Murphys Gesicht war kei ne zehn Zentimeter von mei nem entfernt, und sein Schädel glänzte wie poliert.
Merlin klopfte erneut. »Wir müssen verschwinden, bevor uns die Alte entdeckt.«
Murphy atmete gegen meine Kehle. »Hier sind die Alternativen. Entweder du kommst mit und bringst dei ne Geldprobleme noch heute Nachmittag in Ord nung, oder du schreist. Solltest du das tun, kriegt die alte Dame eine Schneiderschere ins Auge. Und glaub bloß nicht, dass das leere Drohungen sind. Dann müssten wir nämlich noch einmal vorbeischauen, um die Angelegenheit zu regeln. Und das wäre viel schlimmer, darauf kannst du wetten.«
Das bezweifelte ich nicht eine Sekunde lang. Natürlich hatte ich überhaupt keine Wahl. Sie wollten Geld von mir, das ich nicht hatte. Meine einzige Chance war, sie davon zu überzeugen, dass sie betrogen worden waren. Dann war ich ein für alle Mal aus der Sache heraus.
»Ich nehm jetzt die Hand von deinem Mund. Du weißt, es liegt bei dir.« Er zog sie weg.
»Ich komme mit.«
Der rote Kleinbus wartete neben einem Müllcontainer in der Durchfahrt. Sie verfrachteten mich nach hinten, wo ich mich zwischen Keyboards, Trommeln und den Bestandteilen einer Soundanlage wiederfand. Auf einer Kleiderstange hingen Klamotten, die an die Garderobe der Bee Gees im Jahr 1978 erinnerten.
»Wo bringt ihr mich hin?«, fragte ich.
»Der Boss will dich sehen.«
Am Hafen zerrten sie mich aus dem Wagen. Es war ein strahlender Wintertag. Am Strand trotzten Touristen der kühlen Witterung. Kinder mit Eimer und Schaufel sprinteten zum Wasser, dass der weiche Sand nur so spritzte. Über uns
Weitere Kostenlose Bücher