Gefürchtet
Bett, fuhr mir mit dem Kamm durchs Haar und warf einen Blick auf die Uhr.
Ach, du Schande! Die Anprobe für mein Brautjungfernkleid stand an.
Ich zog irgendwas an, ließ Ollie kurz in den Garten, gab ihm frisches Wasser und schloss ihn in der Küche hinter dem Babygitter ein, das Nikki mir geliehen hatte. Dann rannte ich los. Moment mal - wo waren meine Abendschuhe? Ich hastete zurück. Einen fand ich unter dem Couchtisch, den anderen in Ollies Karton. Angesabbert. Mist! Ich flitzte zum Auto und raste los.
Die Boutique befand sich in einem eleganten Einkaufszentrum in Montecito, zwischen einer Kunstgalerie und einem italienischen Restaurant. Chefin war eine alte Hexe namens Madame Kornelia, die mit Monokel und Reitgerte ausgestattet gut in Kaiser Wilhelms Zeiten gepasst hätte. Sie hatte die Größe eines Stachelschweins, rauchte wie ein Schlot
und war dafür berüchtigt, dass sie überhebliche Bräute mit Stecknadeln pikste. Dafür besaß sie die Gabe, Frauen, die eher Sauerbratenmaterial waren, in Zuckerfeen zu verwandeln, wenn sie in ihren Kreationen zum Altar schwebten.
Das alles hatte seinen Preis.
Mein eigenes Brautkleid hatte ich natürlich nicht hier gekauft. Jenes Kleid, das ganz hinten in mei nem Schrank einstaubte und sich fragte, wann ich es tragen würde. Aber das hing ja nicht nur von mir ab, sondern vor allem von Mr. Blackburn.
Ein Glöckchen bimmelte, als ich die Tür öffnete.
»Ah, Miss Delaney. Ihr Termin war vor fünf Minuten.«
Madame Kornelia schlurfte auf mich zu. Sie verstand sich meisterhaft auf die Kunst der Fortbewegung, ohne die Füße vom Boden zu lösen. Um ihren Hals baumelte ein Maßband, und ihr Handgelenk zierte ein Nadelkissen. Mein Brautjungfernkleid hatte sie bereits herausgehängt.
Nun drückte sie es mir in die Hand und scheuchte mich in eine Anprobekabine, die sich hinter einer Ecke in der Nähe der Hintertür befand. Ich schlüpfte aus Kordhose und Bluse. Als ich mich im Spiegel beäugte, wurde mir klar, dass ich meine Unterwäsche sorgfältiger hätte wählen sollen. Die Sicherheitsnadel am BH-Träger wirkte einigermaßen schäbig, und mit dem Star-Trek-Schlüpfer war auch kein Staat zu machen.
Ach ja, das Kleid.
Auf dem Bügel wirkte es einfach grauenhaft. Zunächst einmal fand ich die Farbe schlichtweg furchtbar. Madame Kornelia nannte sie »Crème de menthe«, aber ich fühlte mich stark an grünlichen Schleim erinnert. Am unteren Rand quoll das Gebilde zu Rüschen auf, die mich an aus dem Mixer
spritzende Mint Juleps denken ließen. Skeptisch überlegte ich, welches die Vorderseite sein mochte.
Madame Kornelia klopfte an die Tür, wartete meine Antwort aber gar nicht ab. »Lassen Sie mich sehen, wie das Kleid sitzt.«
Erwischt. Ich stand da wie eine Idiotin, während ihr Blick über den Star-Trek-Slip mit dem Aufdruck »Widerstand ist zwecklos« huschte.
Sie zuckte nicht mit der Wimper. Von Humor keine Spur. Geschäftig rauschte sie in die Kabine, nahm das Kleid und öffnete den Reißverschluss.
»Einatmen.« Sie warf mir das Kleid über den Kopf, knurrte etwas. Ich kämpfte mich durch den raschelnden Stoff. »Luft anhalten«, befahl sie, als mein Kopf wieder auftauchte. Dann schloss sie den Reißverschluss am Rücken. Ich quiekte.
Sie trat zu rück, musterte mich kritisch und stemmte die kleinen Fäuste in die Hüften. »Wird schon gehen.«
»Ist ein Sauerstofftank inbegriffen?«
Sie beschrieb mit dem Zeigefinger einen Kreis. Als ich mich folgsam um mich selbst drehte, fiel mein Blick auf den Spiegel. War das wirklich ich?
Sie schüttelte den Saum auf und zupfte die Nähte zurecht. Ihre Fingerknöchel bohrten sich in meine Rippen.
»Sieht ganz ordentlich aus.«
»Ordentlich?« Ich war so berauscht, dass mich meine sprachlichen Fähigkeiten im Stich ließen. Aus unerfindlichen Gründen verliehen das strenge Mieder und der üppige Rock meinen Sprinterbeinen und meiner dürftigen Oberweite zeitlose Eleganz.
»Exquisit«, hauchte ich.
»Kommen Sie ins Licht, ich will den Saum herauslassen.«
Ich schlüpfte in meine Abendschuhe. Der Stoff raschelte bei jedem Schritt. Jeder Gedanke an Hundesabber war wie ausgelöscht. Während Madame vorn im Laden das Mieder absteckte, ergötzte ich mich an meinem Spiegelbild. Mei ne Bewegungen wirkten anmutig, meine Gesten graziös. Ich kam mir vor wie Grace Kelly. Allerdings nur, bis Madame Kornelia mir die Rechnung aushändigte.
Ich konnte nur hoffen, dass mich meine Augen trogen.
»Reicht Ihr Kreditkartenlimit
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