Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
werden konnten. Miguel fand es nicht einmal überraschend, dass der Keller ihres Hauses genauso prächtig ausgestat tet war wie der Rest.
Am entgegengesetzten Ende des Untergeschosses lagen nebeneinander zwei Tresorräume, wie man sie in größeren Bankfilialen findet. Beide Eingangstüren waren verschlossen. Sein Vater näherte sich einer Kontrolltafel rechts neben einem Tresor. Er tippte einen Code ein und legte seine Handfläche auf eine dunkle Glasfläche. Ein Lichtstrahl leuchtete ihm in die Augen. Dann führte er seinen Zeigefinger in ein weiteres Gerät ein. Eine Computerstimme sagte: »Probenahme.« Als er den Finger wieder herauszog, war er mit Blut bedeckt. Er leckte es ab.
Die Tresorraumtür gab mehrmals ein dumpfes Pochen von sich und öffnete sich dann plötzlich wie von Geisterhand.
»Geht nur hinein. Schaut euch um, während ich den anderen Tresorraum öffne«, sagte sein Vater.
Miguel gab Sonia ein Zeichen und sie traten durch das mächtige Tor in den Tresorraum ein, der wenigs tens 20 Meter lang und genauso breit war. Auf dem Bo den oder auf Staffeleien und Gestellen standen und lagen Hunderte von Kunstwerken. Weiter hinten standen zwanzig bis dreißig antike Möbelstücke – Schreibtische, Kommoden und Schränke. Miguel erinnerte sich, dass er dabei gewesen war, als sein Vater einige dieser Antiquitäten gekauft hatte. Er hatte das jedoch später vergessen. Auf zwei langen Tischen lagen noch mehr Handfeuerwaffen wie in seines Vaters Ferienhaus. Andere lagen sogar noch in ihren Kästen, die daneben auf dem Boden standen. An einer Reihe langer Stangen waren mindestens zwanzig kostbare Teppiche aufgehängt, die sein Vater zweifellos in Asien erstanden hatte. Hinter ihnen hingen an der Wand ihre genauen Spezifikationen. In der Mitte des Raumes enthielten einige feuchtigkeitskontrollierte Glasvitrinen besonders wertvolle, vor dem Jahr 1800 gedruckte Bücher, Erstausgaben, die ein Vermögen wert waren, wie Miguel wusste. Sonia betrachtete voller Bewunderung die schönsten Exemplare, während sich Miguel zu seinem Vater umdrehte, der gerade den Tresorraum betrat.
Die Stimme seines alten Herrn nahm jetzt einen vorwurfsvollen Ton an. »Was hast du denn erwartet?«
»Ich weiß es nicht.«
»Du vertraust mir nicht mehr, stimmt’s?«
»Ähm, wenn du möchtest, dass ich gehe, kann ich mir dann den anderen Tresorraum anschauen?«, fragte Sonia, die sich offensichtlich sehr unbehaglich fühlte.
»Nein, das ist schon okay, du kannst hierbleiben«, sagte Miguel in einem nur ganz leicht schärferen Ton. »Ich glaube eher, dass du mir nicht vertraust. Wenn du nichts zu verbergen hattest, warum hast du mir diesen Ort nicht schon vor Jahren gezeigt?«
»Weil ich wollte, dass du mir vertraust. Du hast keine Ahnung, wie wichtig das für mich ist. Tu es bitte nicht als nebensächlich ab. Möchtest du auch noch den anderen Tresorraum sehen?«
»Der sieht wohl ganz ähnlich aus, oder?«
»Ich müsste mir noch ein Haus bauen, um das alles aufstellen zu können. Deine Mutter meinte immer, meine Augen seien größer als mein Magen, und das gilt wohl auch für meine Einkäufe.«
Miguel wurde in diesem Moment klar, dass er seine Zeit vergeudet hatte. Wenn sein Vater wirklich etwas vor ihm verheimlichen wollte, hätte er es bestimmt nicht mit einer so offensichtlichen Aussage getan wie Nein, du darfst dir nicht anschauen, was in diesen Tresorräumen ist. Jetzt hatte er ihn sinnlos verärgert. Aber trotzdem hegte er immer noch seine Zweifel. »Es tut mir leid.«
»Miguel, ich möchte doch nur das Beste für dich. Was ich tue, ist in keiner Weise illegal. Die Zeitungen würden doch alles drucken, nur um ihre Auflagen zu erhöhen und ihre Werbeflächen zu verkaufen. Sie bezeichnen mich bereits seit Jahren als Kriminellen, aber du hast doch selbst gesehen, was ich in unserem Land getan habe und wie viel ich ihm zurückgeben wollte. Dies alles tue ich aufrichtigen Herzens. Deine Mutter hat mich mehr gelehrt, mein Herz zu öffnen, als du es dir überhaupt vorstellen kannst.«
Miguel schaute Sonia an. Sie spitzte die Lippen und nickte.
»Ich muss dich noch etwas fragen. Bevor sie Raúl umbrachten, flehte er sie an und versprach, das Kartell werde alles zahlen. Wenn er für uns arbeitete, warum würde er dann das Kartell bitten, für ihn zu bezahlen?«
Sein Vater zuckte die Achseln. »Ich habe keine Ahnung. Fernando stellt viele dieser Leute ohne mein Wissen ein. Ich bezweifle nicht, dass einige von ihnen zuvor zum
Weitere Kostenlose Bücher