Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
illegal zu überqueren. Tatsächlich hätte sie es sich früher nicht träumen lassen, hier an der Grenze Wache zu schieben und dabei auch noch eine Pistole am Gürtel zu haben. In der Highschool hatte sie sich immer für ein »Girly« gehalten. Immerhin war sie die Kapitänin der Cheerleader-Truppe gewesen. Aber ihre Noten waren nicht allzu gut gewesen. Sie war immer froh, wenn sie eine Zwei minus als Durchschnittsnote vorweisen konnte. Danach hatte sie sich durch das Community College gequält, wo sie sich für kein Hauptfach entscheiden konnte. Als der Bruder einer Freundin der Grenzschutztruppe beitrat, hatte sie dann einige Erkundigungen angestellt und sich ebenfalls für diese Laufbahn entschieden. Jetzt war sie 27 , immer noch unverheiratet, brauchte jedoch die Adrenalinstöße in ihrem Job mehr denn je.
Allerdings war es nicht ganz leicht gewesen, diese Stellung zu bekommen. Sie hatte 55 Tage in Artesia, New Mexico, Kurse in Einwanderungs- und Staatsbürgerschaftsrecht, Strafrecht und allgemeinen Rechtsvor schriften, Spanisch, Sport und körperlicher Ertüchti gung sowie im Manövrieren von Einsatzfahrzeugen und Terrorbekämpfung absolviert. Doch nein, auf dem Community College hatte man sie keine Pistole abfeuern lassen, das lernte sie erst in Artesia. Dieser Job war das Aufregendste, was sie in ihrem noch jungen Leben gemacht hatte. Während ihr Puls jetzt immer schneller schlug, bestätigte sich wieder einmal dieser erste Eindruck.
»Was habt ihr euch eigentlich gedacht? Dass ihr es hier mit einer Laienspielgruppe zu tun habt?«, hatte sie erst gestern einen Sicario gefragt, den sie gerade verhaftet hatte. »Meinst du, sie haben mir einfach eine Pistole in die Hand gedrückt und mir dann aufgetragen, die bösen Jungs zu fangen?«
Ironischerweise hatte ihre Mutter ihrer Berufswahl mit vollem Herzen zugestimmt und ihr versichert, wie stolz sie sei, dass ihre Tochter jetzt eine Gesetzeshüterin sei, vor allem da, wie sie es ausdrückte, »es doch immer wieder heißt, wir müssten unsere Grenze besser schützen«.
Ihr Vater war jedoch von ihrem neuen Job so begeistert wie ein Fußballfan, dem man kein Bier mehr geben will. Dad war immer ein ruhiger Mann gewesen, der ein ruhiges Leben als Steuerberater in einem ruhigen Büro am Stadtrand von Phoenix geführt hatte. Er genoss seine ruhigen Wochenenden und war das genaue Gegenteil eines Alphamännchens. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass seine Tochter eine Waffe benutzte, denn er hätte nie eine in die Hand genommen. Einmal hatte er sogar Gandhi zitiert und ihr dann angedeutet, dass die Männer sie nicht mehr als weiblich betrachten würden, dass sie zukünftig keinen Freund mehr finden werde und einige sogar Vermutungen bezüglich ihrer sexuellen Ausrichtung anstellen würden. Außerdem würde sie natürlich fett werden. Alle Cops wurden bekanntlich irgendwann fett. Auch die Grenzschützer. Sie hatte seine Bemerkungen nie vergessen.
Austin war ihr in vielerlei Hinsicht ähnlich: ledig und ein ziemlicher Einzelgänger mit einem gespannten Verhältnis zu seinen Eltern. Er war ein Workaholic, der immer genau nach Vorschrift vorging, außer wenn es um seine Beziehung zu ihr ging. Er hatte ihr bereits Avancen gemacht, aber sie war nicht interessiert. Seine Gesichtszüge waren ihr zu grob und sein Körper für ihren Geschmack zu teigig. Also hatte sie ihm eine ganz sanfte Abfuhr erteilt.
»In Ordnung«, sagte er jetzt. »Ich fordere eine zweite Einheit an. Du hast recht. Das könnte ein dicker Fisch sein.«
»Verstanden«, sagte sie. »Verständige auch Omaha und die Quads und schick ihnen unsere GPS -Position.« Oma ha war das Rufzeichen für den Blackhawk-Hubschrauber, der ihre Einheit unterstützte, und die Quads, diese robusten kleinen Geländefahrzeuge, wurden von drei Kollegen gesteuert, die auf ihnen mit Höchstgeschwindigkeit durch die extrem holprige Wüste bretterten.
Er wollte gerade mit seinem Handapparat eine Nachricht absetzen, als er plötzlich aufsprang und aus ihrer Deckung herausstürzte. »Hey, Sie! Anhalten! Grenzschutz!«
Susan wirbelte herum, um ihm etwas nachzurufen …
Der Knall eines Pistolenschusses durchfuhr sie wie ein Blitz und versetzte sie in Panik.
Sie rollte von der Anhöhe herunter und zog ihre Waffe. Dann sah sie zwei Männer, offensichtlich zwei Mexikaner in Jeansjacken, ganz in der Nähe ihres Geländewagens stehen. Der eine war grauhaarig und hielt eine Pistole in der Hand, die sie für eine belgische FN 5 ,
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