Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
junge Mann antwortete.
»Sie rufen mich immer nur dann an, wenn es ein Prob lem gibt«, sagte Corrales. »Im Moment kann ich aber kein Problem brauchen.«
»Dios« war alles, was Ballesteros ihm darauf erwi derte.
»Okay. Und jetzt bitte ich Sie, mich nicht noch einmal zu behelligen.«
»Warten Sie, ich bin mir nicht sicher, ob es Dios war, aber vielleicht …«
Sein Gesprächspartner hatte jedoch bereits aufgelegt.
Ballesteros war Corrales nur einmal vor zwei Jahren persönlich begegnet, als Mitglieder des Juárez-Kartells nach Kolumbien gekommen waren, um seine Labore zu besichtigen und ihm Sicherheitskräfte und Arbeiter anzubieten, mit deren Hilfe er seine Produktion erhöhen sollte. Corrales war ein arroganter junger Schnösel. Er gehörte zu der neuen Sorte von Drogendealern ohne historisches Bewusstsein, die keinen Respekt vor denjenigen hatten, die vor ihnen dieses Geschäft betrieben hatten. Diese jungen Sicarios waren sogar mehr an ihrer Macht, ihrem Image und der Einschüchterung anderer als am tatsächlichen Geldverdienen interessiert. Sie kamen sich wie die Stars in einem Hollywood-Film vor und hielten sich alle für einen zweiten Al Pacino. Ballesteros widerten diese Kerle an. Er war jedoch gezwungen gewesen, die Unterstützung des Kartells anzunehmen, als die Regierung ihren Druck auf die lokalen Drogenproduzenten verstärkt hatte. Mittlerweile waren sie zu seinen wichtigsten Kunden geworden.
Bei seinem letzten kurz angebundenen Telefongespräch mit Corrales hatte er vor einer Woche erfahren, dass der Kartellchef persönlich bald ins Land kommen würde und dass sich die nächste Lieferung auf keinen Fall verzögern dürfe. Er fluchte und lief zurück in sein Haus. Dort schickte er zwei Männer los, die die Leichen vor dem Labor bergen sollten.
Vor dem Haus standen vier alte Lastwagen, deren Ladeflächen mit schweren Planen verschlossen waren. Einige seiner Männer beluden sie gerade mit Bananenkisten. Unter den Bananen war eine Menge Kokain versteckt.
Ballesteros versuchte seine Wut über die Ermordung seiner vier Männer zu verbergen und trieb die Lademannschaft zu größerer Eile an. Inzwischen musste das Boot bereits am Dock von Buenaventura angelegt haben.
B ei ihrer Fahrt über die von Schlaglöchern übersäten Straßen wurden sie in den heißen Fahrerkabinen immer wieder beinahe von ihren Sitzen geschleudert. Keiner der Lastwagen hatte eine Klimaanlage. Das war Ballesteros nicht einmal unrecht. Er wollte nicht, dass sich seine Männer zu sehr entspannten. Sie sollten allzeit wachsam bleiben. Ballesteros selbst musterte jedes Fahr zeug, das sie überholte, und jeden Fußgänger am Straßenrand genau.
Da die gegenwärtige Lieferung besonders groß war (sieben Tonnen, um genau zu sein) und sein Geschäft durch den vierfachen Mord eine ernsthafte Bedrohung erfahren hatte, befürchtete Ballesteros einen weiteren Angriff. Nicht zuletzt deshalb wollte er seine Lieferung dieses Mal bis zum zweiten oder dritten Übergabepunkt begleiten.
Die Mannschaft des in Houston beheimateten, 30 Meter langen Krabbenbootes strömte auf den Hafenkai, als Ballesteros und seine Männer eintrafen. Die Männer begannen, mithilfe eines benzinbetriebenen Gabelstaplers und des Netzauslegers des Bootes die Paletten mit den Bananenkisten im Laderaum des Krabbentrawlers zu verstauen.
Unweit davon standen am Ende des Kais zwei FARC -Soldaten und beobachteten die ganze Aktion. Einer nickte Ballesteros zu, der zur großen Überraschung der Schiffscrew die Gangway hinaufeilte. Als sie ihn fragten, wie weit er seine Ladung begleiten wolle, antwortete er nur: »Weit genug.«
S ie fuhren etwa 250 Seemeilen nach Westen, bis sie sich der Isla de Malpelo näherten, einer kleinen Insel mit einer beeindruckenden Felsküste, die jetzt in der Sonne glänzte. Sie würden sich bis zum Einbruch der Dunkelheit vor der Küste aufhalten. Dabei würden sie auf Krabbenfang gehen, sodass sie nicht weiter auffielen. Ballesteros sagte an diesem Tag kaum ein Wort, da ihn immer noch der Anblick seiner ermordeten Männer verfolgte.
Plötzlich tauchte direkt vor ihnen auf der Backbordseite aus der Tiefe ein dunkler Schatten auf, der zuerst wie ein Wal oder ein großer weißer Hai wirkte. Als sich der Schatten dem Schiff näherte, strömte die gesamte Schiffsbesatzung an Deck und bereitete die Seile für ein Anlegemanöver vor. Jetzt erhob sich der Schatten aus dem Wasser und nahm ein blau, grau und schwarz gesprenkeltes Muster an, bis er
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