Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Essen ist wirklich entsetzlich.«
Miguel hätte fast seine Gabel fallen lassen. Er schaute sie entgeistert an.
Sie brach in lautes Lachen aus: »Also, jetzt ernsthaft, das war selbstverständlich ein Witz. Natürlich ist es hier unglaublich schön.«
Jorge lächelte jetzt auch und wandte sich Alexsi zu: »Siehst du? Das ist Humor. Das versuche ich dir dauernd zu erklären. Du bist viel zu reizend und viel zu ernsthaft.«
Alexsi lächelte und griff nach ihrem Weinglas. »Reizend zu sein erfordert harte Arbeit.«
»Und du bist klug«, fügte Jorge hinzu, lehnte sich zu ihr hinüber und gab ihr einen Kuss.
Miguel seufzte und schaute weg.
Während des ganzen Essens drehte sich die Unterhaltung um Sonia, um ihre Schulerfahrungen, ihre Ansichten über die Politik der spanischen Regierung und ihre Meinung über die europäische Wirtschaft im Allgemeinen. Sie erwies sich den Fragen seines Vaters als durchaus gewachsen. Als sie sich nach dem Essen alle zurücklehnten und das reichhaltige Essen zu verdauen begannen, beugte sich Jorge plötzlich über den Tisch und richtete den Blick auf Miguel.
»Ich habe gute Neuigkeiten für dich, mein Sohn. Ich wusste nicht, wann ich es dir erzählen sollte, aber ich glaube, jetzt ist eine gute Gelegenheit. Ich konnte dir ein Sommerpraktikum bei der Banorte-Bank verschaffen.«
Miguel versuchte, ruhig zu bleiben und sich seinen Ärger nicht anmerken zu lassen. Sein Vater strahlte ihn an. So zufrieden hatte er ihn seit Jahren nicht mehr gesehen.
Ein Praktikum bei Banorte? Was sollte er dort machen? Finanzunterlagen ordnen? Würde er in einer Filiale oder im Hauptbüro arbeiten? Was hatte sein Vater vor? Wollte er ihm den ganzen Sommer ruinieren?
»Miguel … was ist los mit dir?«
Er schluckte hart.
Sein Vater fuhr fort: »Du wirkst nicht gerade begeistert, aber das wird eine wertvolle Erfahrung für dich werden. Du kannst jetzt endlich einmal anwenden, was du im Studium gelernt hast. Theorien allein bringen dich nicht weiter. Du musst in der Praxis arbeiten, um zu verstehen, wie diese Dinge in der Realität funktionieren. Und wenn du dann auf die Uni zurückkehrst, um deinen Master in Betriebswirtschaft zu machen, weißt du bereits, wie es in einer Bank zugeht. Diese Erfahrungen kannst du auf keine andere Weise machen.«
»Wenn du meinst …«
»Bist du anderer Ansicht?«
»Ähm, ich …«
»Würdet ihr mich für einen Augenblick entschuldigen?«, fragte Sonia und erhob sich von ihrem Stuhl. Miguel sprang sofort auf, um ihr beim Aufstehen zu helfen. »Ich muss mich ein wenig frischmachen«, erklärte sie.
»Ich auch«, sagte Alexsi und warf Miguel einen bedeutungsvollen Blick zu.
Jorge wartete, bis die beiden Frauen gegangen waren und die Diener ihre leeren Teller abgeräumt hatten. Dann gab er ihm das Zeichen, mit ihm auf die Terrasse hinauszutreten, um den mondbeschienenen Ozean zu bewundern.
Sie stellten sich beide ans Geländer und betrachteten das Meer. Während Jorge einen Drink in der Hand hielt, nahm Miguel allen Mut zusammen, um das Angebot seines Vaters abzulehnen.
»Miguel, hast du geglaubt, du könntest einfach so den ganzen Sommer verbummeln?«
»Nein, eigentlich nicht.«
»Das ist doch eine großartige Chance für dich.«
»Ich verstehe.«
»Aber du möchtest nicht.«
Miguel seufzte und schaute endlich seinem Vater ins Gesicht. »Ich wollte mit Sonia eine kleine Reise machen.«
»Aber ihr seid doch gerade erst aus Spanien zurückgekehrt.«
»Ich weiß, aber ich wollte ihr unser Land zeigen. Ich dachte an San Cristóbal de las Casas.«
Jorges Gesichtszüge begannen sich zu entspannen. Er schaute an seinem Sohn vorbei auf den Pazifik hinaus. Miguels Eltern waren oft in San Cristóbal gewesen. Seine Mutter hatte diese mexikanische Stadt geliebt. Sie liebte die Hochebene von Chiapas und erzählte immer wieder von den gewundenen Sträßchen, den hellbunten Häusern mit ihren roten Ziegeldächern und den grünen Bergen in der Umgebung. Der Ort war reich an Kultur und Maya-Geschichte.
»Ich erinnere mich an das erste Mal, als ich mit deiner Mutter dort war …« Er atmete tief durch und konnte den Satz nicht beenden.
»Ich glaube, Sonia würde die Stadt ebenfalls lieben.«
Jorge nickte. »Ich rufe die Bank an. Du nimmst den Hubschrauber und verbringst eine Woche in San Cristóbal. Danach gehst du arbeiten. Wenn du möchtest, dass Sonia in dieser Zeit hier bleibt, geht das in Ordnung, aber du wirst in der Bank arbeiten.«
Miguel warf schockiert den Kopf
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