Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Mann, bis ihn der Krebs zu einem schwachen Schatten seiner selbst und danach zu einem aufgedunsenen, medikamentenschluckenden Opfer machte, das ausgerechnet am Weihnachtsabend starb und damit seiner Familie, die sich zuvor über ihn mokiert hatte, einen allerletzten Streich spielte.
Moore hätte sich einen Vater gewünscht, der ihn gelehrt hätte, was es heißt, ein Mann zu sein, und der ihn in die Freuden des Fischens und Jagens eingeführt hätte, und nicht so einen griffelspitzenden mittleren Angestellten mit einer überkämmten Glatze und einem Schmerbauch. Er wollte seinen Vater lieben, aber zuvor musste er ihn erst einmal respektieren. Dies fiel ihm jedoch umso schwerer, je mehr er über dessen Leben nachdachte.
Als Ersatz für diese fehlende Vaterfigur hatte Moore dann den Kameradschaftssinn beim Militär gefunden. Und so war er Teil einer sagenumwobenen Gemeinschaft geworden, deren Name bereits bei allen, die ihn hörten, Ehrfurcht und Angst erweckte.
»Oh, Sie waren beim Militär. Und bei welcher Einheit?«
»Ich war ein Navy- SEAL .«
»Ach du Scheiße, wirklich?«
Nach dem BUD/S -Kurs war er zusammen mit Frank Carmichael für das SEAL -Team 8 ausgewählt und nach Little Creek, Virginia, geschickt worden, um dort die Gefechtsausbildung zu beginnen, also das, was die alten Hasen die »echte Sache« nannten, womit sie die Vorbereitung auf den Kampfeinsatz meinten. Ausbildung, Einsatz und Einsatznachbereitung dauerten insgesamt 24 Monate. Er wurde zum Petty Officer Second Class E- 5 (Bootsmaat) befördert. Im Jahr 1 996 erhielt er drei offizielle Belobigungsurkunden, die es seinem Kommandeur erlaubten, ihn für die Offiziersanwärterschule vor zuschlagen. Dort verbrachte er zwölf lange Wochen. Nach dem erfolgreichen Abschluss wurde er zum O- 1 Ensign, zum Fähnrich zur See, ernannt. 1998 wurde er dann nach einer weiteren Belobigungsurkunde und der Verleihung der Verdienstmedaille des Marinestaatsse kretärs Leutnant zur See. Wegen seiner besonderen Leis tungen wurde er vorzeitig im März 2000 zum Kapitänleutnant befördert.
Im September 2001 ging es dann richtig los. Moore und sein SEAL -Team wurden nach Afghanistan ge schickt, wo sie an zahlreichen Spezialaufklärungsmissionen teilnahmen und mit der Presidential Unit Citation und der Navy Unit Commendation zwei wichtige Auszeichnungen für ihren Kampf gegen die Taliban-Aufständischen erhielten. Im März 2002 nahmen sie an der Operation Anaconda teil, in deren Rahmen es gelang, Taliban- und Al-Kaida-Einheiten aus dem Schah-i-Kot-Tal und den Arma-Bergen in Afghanistan zu vertreiben.
Selbst Moore konnte es zu diesem Zeitpunkt kaum noch glauben, wie sehr er seit seiner Zeit als Highschool-Rowdy gereift war.
In Juárez gab es natürlich immer noch eine Menge Rowdys, musste er jetzt denken. Er bog auf den Hotelparkplatz ein und nahm erst einmal mit seinem Handy die Kennzeichen aller anderen dort abgestellten Autos auf. Er schickte sie sofort nach Langley, dann ging er hinein und ließ sich in der Lobby einen Becher Kaffee aus dem Automaten, während Ignacio ihn beobachtete. Von draußen drang das Geräusch von Hämmern und Sägen und das Rufen von Bauarbeitern herein.
»War Ihre Geschäftsbesprechung erfolgreich, Señor?«, fragte der Mann an der Rezeption auf Englisch.
Moore antwortete auf Spanisch: »Ja, alles lief glatt. Ich suche hier in Juárez nach ein paar gut gelegenen Grundstücken, um mein Geschäft zu erweitern.«
»Señor, das ist großartig. Ihre Kunden könnten dann ja bei uns absteigen. Wir werden gut für sie sorgen. Viel zu viele Leute haben Angst, nach Juárez zu kommen, dabei hat sich die Stadt in letzter Zeit sehr verändert. Es gibt keine Gewalt mehr.«
»Das hört man gerne.« Moore machte sich auf den Weg in sein Zimmer, das nach Ignacios Angaben »billig, billig« sein würde, da das Hotel ja noch renoviert werde. Tatsächlich hatte Moore sich beim Einchecken nicht vorstellen können, wie laut es hier werden würde, weil die Arbeiter da noch nicht mit dem Hämmern und Sägen begonnen hatten.
Zurück in seinem Zimmer las er auf seinem Smart phone alles durch, was die CIA über diese dunkelhaarige Frau herausgefunden hatte. Ihr Name war Maria Puentes-Hierra, sie war 22 Jahre alt, ihr Geburtsort war Mexico City und sie war die Freundin von Dante Corrales. Viel mehr wussten sie nicht über sie, außer dass sie ein Jahr im Monarch-Club, einer der wenigen verbliebenen Rotlichtbars der Stadt, gearbeitet hatte. Die meisten anderen
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