Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
dorthin kam er an einer kleinen Kneipe vorbei, vor der mehrere Polizeiwagen standen. Polizisten führten gerade ein paar Männer in Handschellen aus der Taverne. Eine frühmorgendliche Bar-Razzia in Juárez, wer hätte das gedacht.
Die Maklerin war eine beleibte Frau mit hellblauen Augenschatten und einem leichten Damenbart. Sie hatte große Mühe, sich aus ihrem verrosteten und staubbedeckten Kia herauszuwinden. Sie schüttelte ihm kräftig die Hand und sagte: »Ich muss ehrlich zu Ihnen sein, Mr. Howard. Dieses Objekt ist seit über zwei Jahren auf dem Markt, und bisher hat sich noch kein Einziger dafür interessiert.«
Moore, alias Mr. Scott Howard, betrachtete die beiden alten Fabrikgebäude, die nebeneinander auf einem Grundstück von insgesamt achtzig Hektar kahlem, staubigem Land standen. Die Gebäude selbst sahen aus, als ob schon mehrere Wirbelstürme über sie hinweggegangen wären. Ihre mit Graffiti beschmierten Wände standen zwar noch aufrecht, aber sonst war kaum noch etwas in Ordnung. Moore betrachtete die mit Glassplittern übersäten Flächen und den grauen Dunst, der sich wohl auf Dauer auf diesem trostlosen Stück Erde niedergelassen hatte, und verzog das Gesicht. Er holte sein Handy heraus und machte einige Bilder. Dann zwang er sich zu einem breiten Grinsen und sagte: »Señora García, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir das hier gezeigt haben. Wie ich Ihnen bereits am Telefon erklärt habe, suchen wir in ganz Mexiko nach Grundstücken, auf denen wir Montagewerke für unsere Sonnenkollektoren bauen können. Unsere Fertigungsstätten werden hier sein, während unsere Verwaltung, Entwicklungsabteilung und unsere Lager in San Diego und El Paso bleiben werden. Ich suche also genau nach einem solchen Stück Land, das in der Nähe einer Autobahn liegt.«
Moore bezog sich auf das Geschäftsmodell der »Maquiladoras«, das auf eine US -amerikanisch-mexikanische Vereinbarung zurückging, die niedrige Zölle für in Mexiko montierte Industriegüter vorsah. Seitdem waren auf der mexikanischen Seite der Grenze Tausende solcher Maquiladoras entstanden.
Die Idee war Moore bei einem Essen mit einem alten SEAL -Kameraden gekommen, der inzwischen für das Telekom-Unternehmen General Instruments (GI) arbeitete. Sein Kumpel war inzwischen immerhin zum Geschäftsführer aller GI-Maquiladoras aufgestiegen. Dabei war er auf Schwierigkeiten gestoßen, als er Halbfertigprodukte zur Endmontage nach Mexiko einfüh ren wollte. Die Mexikaner waren nämlich der Meinung, dass alle diese Güter aus mexikanischen Fabriken kommen müssten, die auch auf keinen Fall im Besitz von GI sein durften. Moores Ex-Kamerad hatte sich jedoch eine clevere Lösung ausgedacht. Er verkaufte die amerikanischen Halbfertigprodukte an ein unabhängiges mexikanisches Fuhrunternehmen, das sie nach Mexiko transportierte. Dort kaufte er die Waren zum Selbst kostenpreis zuzüglich einer Mordita , eines Bestechungs gelds, wieder zurück. Als einheimische Güter konnte er sie jetzt in seinen Maquiladoras weiterverarbeiten. Er hatte seine Erzählung mit der Feststellung abgeschlossen: »Ganz Mexiko funktioniert nur mit Morditas .« Als Moore sich eine Tarnung für seinen Aufenthalt in Juárez überlegte, hatte er sich an dieses Essen erinnert.
Während ihn die Maklerin anlächelte, schaute Moore zu den beiden Typen hinüber, die auf der anderen Seite der Straße parkten. Sie beschatteten ihn, und das war gut so. Er hatte nichts anderes erwartet. Allerdings wusste er nicht, ob sie zum Juárez- oder zum Sinaloa-Kartell gehörten.
Schlimmer noch … sie könnten Guatemalteken sein. Rachegeier …
Moore zog die Augenbrauen hoch. »Ich glaube, dieses Grundstück wäre ideal für unsere Zwecke. Ich würde mich gerne mit dem Eigentümer treffen, um über den Preis zu sprechen.«
Die Frau zuckte zusammen. »Leider ist das nicht möglich.«
»Oh, schade, warum?« Moores Neugier war gespielt, weil er die Antwort bereits kannte. Das Land gehörte Zúñiga, dem Chef des Sinaloa-Kartells.
»Der Eigentümer lebt sehr zurückgezogen. Außerdem ist er oft auf Reisen. Sie müssten also die Angelegenheit mit seinen Anwälten besprechen.«
Moore verzog das Gesicht. »Ich mache normalerweise keine Geschäfte mit Strohmännern.«
»Verstehe«, erwiderte sie. »Aber er ist wirklich ein sehr beschäftigter Mann. Auch ich bekomme ihn nur ganz selten ans Telefon.«
»Nun, ich hoffe, Sie versuchen es wenigstens. Und ich hoffe, dass er in meinem Fall eine Ausnahme
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