Gegen alle Zeit
»Durch die breite Ritze im Boden. Die andern haben alle schon geschlafen, aber ich hab’s gehört. Das von dem Bischof und der Ulme. Mama und Papa waren nicht nett zu dir.«
»Warum hast du ›Rochester‹ gesagt?«
»Weil’s der Bischof von Rochester war«, sagte das Mädchen grinsend. »Papa hat mir das mal erzählt. Dass der Bischof von Rochester den Küster von Whitchurch auf dem Gewissen hat und dass er, also Papa, das beweisen kann und dass sie sich noch alle wundern werden. Selbst der Herzog.« Violet machte eine Pause, setzte eine nachdenkliche Miene auf und fügte leise hinzu: »Wenn Papa trinkt, dann erzählt er immer so ein wildes Zeug. Das darf man nicht ernst nehmen, sagt Mama. Und das tut auch keiner im Dorf. Sie lachen alle über Papa, weil er nämlich ein Trunkenbold ist. Aber als du vorhin von dem Bischof gesprochen hast, da ist es mir wieder eingefallen. Rochester war’s.«
»Warum erzählst du mir das?«, wunderte sich Bess.
»Weil ich ihn nicht ausstehen kann.«
»Deinen Papa?«
»Nein, Mr. Hornby.«
»Warum kannst du ihn nicht ausstehen?«
Violet zögerte, presste die Lippen aufeinander und murmelte dann: »Wegen Tessa. Weil nämlich …« Sie schob den Unterkiefer vor und schien nach den Worten zu suchen. In ihren Augen sammelten sich Tränen.
»Schon gut, Violet«, sagte Bess und legte dem Mädchen rasch die Hand auf die Schulter. »Du musst nichts weiter sagen. Ich verstehe schon.«
Violet schaute Bess dankbar an und nickte. Dann sagte sie: »Du wirst Papa nicht verraten, oder? Wir sind doch Freundinnen. Stimmt’s, Elizabeth?«
»Stimmt, Violet«, antwortete Bess. »Versprochen! Und jetzt zurück ins Bett mit dir, bevor sie dich vermissen.«
»Ach, die schlafen alle.« Das Mädchen winkte zum Abschied und lief zurück zum Cottage.
»Danke!«, rief Bess ihr nach, doch sie war nicht sicher, ob Violet es gehört hatte.
8
Vor dem Ziehbrunnen im Hof hockte Henry und schlief. Er war im Sitzen eingeschlafen, hatte die Arme um die Knie geschlungen, den Kopf seitlich an die Mauer gelehnt und schnarchte leise. Ohne sein Schnarchen wäre Bess in der Dunkelheit vermutlich gar nicht auf ihn aufmerksam geworden, doch so weckte sie ihn, indem sie ihn unsanft an der Schulter packte, und befahl: »Komm!«
Es dauerte eine Weile, bis er begriff, wo er war. Dann fragte er: »Wohin?«
»Willst du etwa die ganze Nacht hier draußen schlafen?«
Henry reckte die steifen Glieder, gähnte und schüttelte den Kopf.
»Mach schon!« Bess ging zur Hintertür voraus, öffnete sie, horchte ins Innere und gab Henry mit einem Kopfnicken zu verstehen, dass die Luft rein war. Sie stiegen leise die Treppe hinauf, vergewisserten sich im Obergeschoss, dass nirgendwo Licht brannte und niemand sie sah, und verschwanden schließlich im Zimmer mit der Nummer zehn.
Es war stockfinster im Raum. Der Mond war inzwischen untergegangen, und durch das Fenster fiel kein Licht ins Innere. Bess entledigte sich der Schuhe, zog die Strümpfe aus, öffnete das Mieder, nahm das Seidentuch aus dem Dekolleté, schlüpfte aus dem Kleid und legte sich im dünnen Unterrock ins Bett.
»Wo bist du?«, flüsterte Henry.
»Hier«, antwortete sie, »im Bett.«
»Und wo soll ich schlafen?«
Sie klopfte neben sich auf die Bettdecke.
Stille.
»Nun hab dich nicht so! Ich beiße nicht.«
Rascheln. Dann ein leises Poltern und ein unterdrückter Schmerzensschrei.
»Verdammt! Hast du kein Licht?«
»Du brauchst Licht, um dich auszuziehen?«
»Ja, nein, schon gut.« Wieder ein Rascheln und Rumpeln. Und dann spürte sie seinen Körper neben sich. Er war eiskalt, und als seine Füße ihre Waden berührten, stieß sie einen spitzen Schrei aus.
»’tschuldigung. War ganz schön kalt da draußen.«
»Kannst dich ruhig an mir wärmen.«
»Nicht nötig. Geht schon.«
»Unfug! Zier dich nicht so! Bist ja ganz durchgefroren.«
Sie drehte ihm den Rücken zu, streckte ihm den Po entgegen, und als er sich an sie schmiegte, spürte sie etwas Hartes an ihrem Steiß.
Bess lachte und fragte: »Willst du mit mir schlafen?«
»Was? Warum? … Ach so, nein.« Er rückte ein wenig von ihr ab, was wegen der Enge des Bettes kaum möglich war. »Tut mir leid.«
»Muss dir nicht leidtun. Ich nehm’s als Kompliment. Also? Willst du mit mir schlafen?« Sie drängte sich erneut an ihn. »Musst auch nicht dafür bezahlen. Geht aufs Haus.«
Sie hörte, wie er schluckte, und merkte, wie seine Erregung wuchs. Doch dann räusperte er sich und sagte:
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