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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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hier?«
    »Nay«, sagte die Alte und schüttelte ihren Kopf, der kahl zu sein schien. Jedenfalls waren unter der schmutzigen und löchrigen Haube keinerlei Haare zu sehen. »Jack wär schön blöd, wenn er noch mal herkommen würde. Und an deiner Stelle wär ich auch vorsichtig. Die Konstabler waren heut Nachmittag schon mal da. Denen stinkt’s gewaltig, dass Jack ausgebrochen ist. Ist ja bereits das dritte Mal, dass er ausgebüxt ist. Guter Junge!«
    »Wo sind die anderen?«
    »Mein Joseph ist längst weg, vermutlich in St. Giles, weiß der Teufel, wo der sich immer rumtreibt. Undankbarer Nichtsnutz! Nichts als Ärger hat man mit den Kindern. Poll und Jenny sind auch verschwunden, aber die Zwillinge müssten noch da sein.« Damit schob sie den großen Schrank zur Seite, als wäre er aus Pappe, und öffnete Henry die Tür: »Hereinspaziert, Euer Berühmtheit!«
    Bevor Henry etwas auf diese seltsame Anrede erwidern konnte, hatte Mutter Blake die Tür bereits wieder geschlossen und den Schrank vorgeschoben.
    »Oi, Captain Macheath!«, wurde Henry von George begrüßt. Er lüpfte seine Biberfellmütze und war so betrunken, dass er die Augen kaum aufhalten konnte.
    »Er heißt Ingram«, meinte Godfrey lallend.
    Die beiden Brüder saßen auf einer Bank unter einem schmalen Fenster, das jedoch vollständig zugemauert war. Außer der Bank und einem Hocker gab es kein Mobiliar in diesem kargen Raum, der von einer Talgkerze auf dem Boden mehr schlecht als recht beleuchtet wurde. Sämtliche Wände waren mit Teppichen abgehängt, was den Stimmen einen seltsam gedämpften Ton gab.
    »Ingram?«, lachte George und schob Henry den Hocker hin. »Jetzt nicht mehr!«
    »Bist inzwischen ein Held«, stimmte Godfrey in das Lachen ein und reichte Henry die Flasche. »Genau wie Bess. Und Jack natürlich.«
    »Nur unsereins kriegt nichts vom Ruhm ab«, sagte George, der vergeblich gegen einen Schluckauf ankämpfte.
    »Dafür wird auch nicht nach euch gefahndet«, sagte Henry, nahm einen Schluck aus der Flasche und spuckte den Fusel sofort wieder aus. »Pfui Deibel! Was ist denn das für ein Gesöff?«
    »Schmeckt wie Pferdepisse«, kicherte George, schnappte sich die Flasche und setzte sie sich an die Lippen. »Aber man gewöhnt sich dran«, sagte er nach einem großen Schluck und rülpste laut.
    »Wo ist Blueskin?«, fragte Henry.
    »Weg«, sagten die Zwillinge wie aus einem Mund.
    Als Henry nachhaken wollte, reichte ihm George einen Stoffbeutel und meinte: »Dein Anteil, wie versprochen. Obwohl Blueskin drauf wetten wollte, dass du dich nicht in die Höhle des Löwen traust.«
    »Die Wette hätte er verloren«, sagte Henry und holte vier kleine Silbermünzen aus dem Beutel. »Mehr nicht?«, entfuhr es ihm.
    »Vier Shilling!«, antwortete Godfrey. »Was hast du erwartet? Captain Kidds Piratenschatz?« Er lachte, riss seinem Bruder die Flasche aus der Hand und setzte hinzu: »Fürs Schmierestehen kannst du nicht mehr erwarten. Blueskin wollte dir gar nichts geben, weil er dich für einen von Wilds Handlangern hält. Du könntest froh sein, wenn er dir nicht die Kehle durchschneidet, hat er gemeint. Bess hin oder her.« Wieder reichte er Henry die Flasche.
    »Was hat Blueskin nur immer mit seinem verdammten Jonathan Wild?«, fragte Henry, nahm von Godfrey die Flasche in Empfang und nippte daran, ohne dass ihm dabei auch nur ein Tropfen über die Lippen kam.
    »Wild hat ihn für anderthalb Jahre hinter Gitter gebracht«, sagte George und hatte Mühe, seinen Blick auf Henry zu fokussieren. »Erst vor zwei Monaten ist Blueskin aus dem Wood Street Compter entlassen worden.«
    »Hast du die Narbe an Blueskins Kopf gesehen?«, fragte Godfrey.
    Henry nickte.
    »Ein Andenken von Jonathan Wild. Bei seiner Verhaftung hat Blueskin sich mit Händen und Füßen gewehrt, und Wild hat ihm den Degen über den Schädel gezogen. Vom Scheitel bis zum Ohr.« George presste vielsagend die Lippen aufeinander, grinste dann und sagte: »Kein Wunder, dass Blueskin nicht gut auf den Diebesfänger zu sprechen ist.«
    »Generaldiebesfänger«, verbesserte Godfrey lachend.
    »Von Großbritannien und Irland«, setzte George hinzu, und beide Zwillinge schüttelten sich vor Lachen.
    »Wo finde ich Jack?«, wollte Henry wissen, nachdem die Brüder sich wieder einigermaßen beruhigt hatten.
    »Vermutlich bei Kate.«
    »Die Blonde?«, fragte Henry. »Ist das seine neue Freundin?«
    »Eine von vielen«, sagte George achselzuckend und ein wenig neidisch, wie es Henry schien.

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