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Gegen alle Zeit

Gegen alle Zeit

Titel: Gegen alle Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Finnek
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Torbogen aufgeführt wurde. Weder der Titel des Stücks noch der Komponist sagten Henry etwas, doch der Name des Kapellmeisters ließ ihn erstarren: Johann C. Pepusch.
    Der Komponist der Beggar’s Opera ! Und Freund des Schriftstellers John Gay.
    Beinahe noch überraschter war Henry, als plötzlich ein einbeiniger Bettler neben ihm stand und ihm kameradschaftlich die vor Dreck strotzende Hand auf die Schulter legte. »So sieht man sich wieder, eh?«, fragte der irre Geoff mit seiner heiseren Krächzstimme. »Willst du auch zur Probe?« Er stieß Henry verschwörerisch mit dem Ellbogen in die Seite und lachte rasselnd, als hätte er einen versauten Witz erzählt.
    »Scher dich zum Teufel, Geoff!«
    »Der Teufel war längst da«, antwortete der Bettler achselzuckend und kicherte albern. Dann verneigte er sich zum Abschied und humpelte in Richtung Clare Market davon. Tock, tock, tock!
    Henry schüttelte ungläubig den Kopf, schaute sich verwirrt um, rüttelte dann an dem schmiedeeisernen Theaterportal, das jedoch verschlossen war, und wollte bereits den Rückzug antreten, als er hinter sich zwei junge Männer hörte, die sich dem Eingang näherten.
    »Der Maestro wird vor Wut kochen«, sagte einer der Männer. »Du weißt, dass er es nicht ausstehen kann, wenn man zu spät kommt.« In der Hand hielt er ein Flötenetui, mit dem er Henry an die Schulter tippte und zur Seite scheuchte. Wie ein lästiges Tier.
    »Besser spät als gar nicht«, lachte der andere und holte einen Schlüssel aus der Manteltasche, mit dem er die Gittertür öffnete. Auch dieser Mann trug ein Instrument bei sich, dem Koffer nach zu urteilen eine Geige oder Bratsche. »Und was soll Maestro Pepusch schon machen? Immerhin gehört das Theater meinem Vater, und niemand legt sich mit Mr. John Rich an. Nicht einmal sein undankbarer Sohnemann, und das will was heißen.« Er lachte, hakte sich bei seinem Kumpan unter, warf die Tür zu, unterließ es aber, sie hinter sich abzuschließen.
    Henry wartete eine Weile, bis die Schritte verhallt waren, öffnete dann die Gittertür und betrat den überdachten Innenhof, der in gewisser Weise ein Vorhof war und zu dem rückwärtig gelegenen Theatergebäude führte. Wie bei dem Theater in der Drury Lane gab es auch hier mehrere Eingänge für die verschiedenen und unterschiedlich teuren Plätze: Galerie, Loge und Parkett. Erstaunt stellte Henry fest, dass es vom Hof aus auch einen Zugang zur Garderobe der Schauspieler und zum Bereich hinter der Bühne gab. Doch dann erinnerte er sich, dass es im 18. Jahrhundert durchaus üblich war, dass hochrangige Herrschaften oder hübsche Besucherinnen den Schauspielern vor oder nach der Aufführung in der Garderobe ihre Aufwartung machten. Und so entschied sich Henry, den Backstage-Bereich aufzusuchen.
    Die kleine Tür im hintersten Winkel des Innenhofs führte zu einem schmalen und schnurgeraden Korridor, der nicht beleuchtet, aber scheinbar sehr lang war und von dem links und rechts zahlreiche Türen abgingen. Leider fiel nicht genug Licht in den Gang, um die Schilder zu lesen, die an den Türen befestigt waren. Henry schloss die Eingangstür hinter sich, und beinahe im selben Augenblick öffnete sich am anderen Ende des Korridors eine Tür, die zur Straße hinter dem Theater führte. Der Schattenriss einer Frau erschien im Türrahmen und verschwand nach draußen. Dann wurde es wieder dunkel.
    Obwohl Henry nur für wenige Sekunden die Umrisse der Frau gesehen hatte, hatte er Edgworth Bess sofort erkannt und rannte ihr hinterher. Als er die Tür erreichte, warf er einen Blick in einen zweiten Korridor, der nach rechts führte und von einigen Fenstern in der hohen Außenmauer erhellt wurde. Auf der obersten Stufe einer Treppe saß ein Mann mit blutigem Gesicht, und hinter ihm hockten die beiden Musiker, die Henry vor dem Theater gesehen hatte.
    »Halt, stehen bleiben!«, rief der Mann mit der Flöte und wollte sich erheben, was ihm aber nicht möglich war, weil der blutende Mann ihn am Kragen festhielt und immer nur mit dem Kopf schüttelte.
    Der junge Mann mit dem Geigenkasten stand hinter ihnen und hielt ein rot triefendes Tuch in der Hand. Er rührte sich nicht von der Stelle, und dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er kurz davor, sich zu übergeben.
    Henry riss die Tür auf, hastete hinaus und stieß auf der Straße beinahe mit Geoff Ingram zusammen, der wie ein Gespenst immer dort auftauchte, wo man ihn am wenigsten erwartete. Unheimlich!
    »Da lang!«, sagte

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