Gegen jede Regel
angenehm und entspannend, mit Nina zusammenzusitzen.
Wir plauderten über Belanglosigkeiten, über alles, was uns gerade in den Sinn
kam. Wir sprachen nicht über den Fall Tobias Maier und es war eine Wohltat, die
Gedanken auf andere Dinge zu lenken. Selbst beim Tapezieren leerte sich mein
Kopf oft erst nach über einer Stunde.
Ich erzählte Nina auch vom Fortgang meiner Arbeiten, von
den Plänen, die ich für Wände, Böden, Decken und Möbel hatte. So aufmerksam,
wie sie mir zuhörte, musste ich es sehr gut erzählen.
Die Zeit verging wie im Flug und es war schon kurz nach
acht, als Nina plötzlich auf die Uhr schaute. »Oh, ich glaube, ich sollte
langsam mal meinen Computer einschalten.«
Ich war überrascht, wie spät es schon war. Und enttäuscht.
Nina hatte ihren Computer in einem Sekretär im Wohnzimmer stehen. Während sie die
Klappe öffnete und den PC startete, räumte ich den Tisch ab. Ninas Küche war,
wie die ganze Wohnung, recht klein, aber sie hatte eine Spülmaschine. Dort
räumte ich alles ein, was greifbar war und benutzt aussah. Lediglich die Pfanne
blieb in der Spüle stehen.
»Wow«, sagte Nina, als sie ihre Spülmaschine sah. »Ich
schaffe es nie, das Geschirr so einzuräumen.« Sie angelte im Schrank unter der
Spüle nach einem Tab für die Maschine und stellte sie an. »Die Pfanne kann
warten«, sagte sie. »Jetzt kommt erst mal die Auswertung.«
Wir setzten uns mit zwei Stühlen vor den Computer. Nina
rief die Seite auf. »Noch nicht fertig«, sagte sie nach einem kurzen Blick auf
die Karte. »Möchtest du auch noch einen Kaffee?«
»Nein, davon werde ich nur nervös.«
»Was denn? Ein Bier?«
»Ich bleibe bei Wasser«, sagte ich. Eine Bierfahne mochte
ich nicht bei anderen und bei mir selbst noch viel weniger.
»Okay«, sagte Nina. Sie klickte auf die Schaltfläche zum
Neuladen der Webseite. Und da war die neue Auswertung.
»Dann lass mal sehen«, sagte ich.
Der Drucker fing an zu surren, als er den Befehl erhielt,
die neue Karte auszudrucken. Ich nahm das Blatt, während Nina auf den Monitor
schaute. Auf den ersten Blick war ersichtlich, dass Elias Grams mit seiner
Taktik gründlich gescheitert war.
»Autsch«, sagte Nina.
Das hätten sicherlich die osmanischen Truppen auch gedacht,
hätte es sie denn tatsächlich gegeben und hätten sie unter Führung von Sultan
Grams kämpfen müssen. Die Bewegung seiner Truppen nach Norden war abgeschnitten
worden von einem österreichischen Angriff. Sofia war an Ãsterreich gefallen.
Die dort zuvor stationierte osmanische Infanterie war vernichtet worden.
Russland war ans Schwarze Meer vorgedrungen. Grams war somit auf seine Ausgangspositionen
zurückgeworfen mit dem Unterschied, dass er nun vollständig von seinen Feinden
eingekreist war. Mir schien das ein passender Zeitpunkt, um aufzugeben.
»Das ging gründlich daneben.«
Nina sagte: »Schau mal hier. Ralf hat recht gehabt.
Italien greift Frankreich an. Und Ãsterreich Italien.«
Ich sah es nur zu deutlich. Italienische Kriegsschiffe
vor der französischen Mittelmeerküste, italienische Truppen in Marseille.
Europa war im Aufruhr.
»Gut, dass das nur ein Spiel ist«, sagte ich.
»Nicht für alle«, sagte Nina. Und das brachte uns zu der Ãberlegung,
wer durch diese neue Auswertung gefährdet sein könnte.
»Wir sollten mit dem Ãsterreich-Spieler sprechen«, meinte
ich. »Er wird uns etwas über Grams sagen können. Vor allem seine Reaktion jetzt
nach der Auswertung.«
»Martin Pracht«, sagte Nina mit einem Blick auf den
Computerbildschirm. »Er ist Elektriker in Münster. Hat seinen eigenen Betrieb.«
»Sieh mal einer an. Wie alt ist er denn?«
»Ein Jahr jünger als Grams.«
»Interessant. Kann es sein, dass â¦Â«
»⦠die beiden sich von früher kennen?
Face-to-Face-Partien mit Freunden von der Berufsschule?«
Wir schauten uns bedeutungsvoll an. »Das könnte heiÃen,
dass Pracht doppelt in Gefahr ist.«
»Und er ist sehr viel besser greifbar als Tobias.«
Ich merkte deutlich, wie mich diese neue Entdeckung elektrisierte.
»Wir sollten eines nicht übersehen«, sagte ich halb zu Nina und halb zu mir
selbst, um mich zu beruhigen. »Martin Pracht ist im Spiel ein direkter Nachbar
von Tobias gewesen.
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