Gegen jede Regel
Kaffee
und Geschirr zu uns und schenkte uns ein.
»Jetzt müssen Sie mir aber noch einmal erklären, warum
Sie mit mir sprechen wollen. Ich habe das am Telefon nicht so ganz verstanden.«
Nina übernahm das Gespräch. »Am Montag wurde Tobias Maier
tot aufgefunden. Er wurde ermordet.«
Martin Prachts Augen weiteten sich vor Schock. »Ach du
meine Güte!«
»Sie wussten das nicht?«
»Mein Gott, woher denn? Ich dachte, er hätte wieder ⦠Ich
hätte nie gedacht â¦Â«
»Er hätte wieder?«
»Ja, wieder seine Züge vergessen. Er war manchmal sehr
nachlässig.«
»Auch bei der Deutschen Meisterschaft?«
»Meisterschaft oder nicht, das war für Tobias nicht wichtig.
Ich glaube, er hat das Spiel insgesamt nicht so ernst genommen.«
Das musste gar nicht schlecht sein. Nina fragte: »Sie haben
mit ihm zusammen gespielt?«
»Ja, wir haben gute Vereinbarungen getroffen. Es hat bestens
funktioniert.«
»Kannten Sie Tobias schon länger?«
Pracht überlegte. »Vielleicht seit zwei Jahren. Ja, seit
er angefangen hat zu spielen. In seiner ersten regulären Partie haben wir
gegeneinander gespielt.«
»Wie war er so als Spieler?«
»Was soll ich sagen? Jeder hat seinen eigenen Stil zu spielen.
Manche nehmen das Spiel und ihre Rolle sehr, sehr ernst. Andere überhaupt
nicht.«
»Und Tobias?«
»Ich sagte ja, er nahm das Spiel nicht ernst. Von Anfang
an nicht. Manchmal hat er Züge befohlen, die direkt in seinen Untergang geführt
haben. Für ihn war der Spaà im Augenblick wichtig. Konnte er einen anderen
spektakulär reinlegen, dann tat er es. Langfristige Konsequenzen haben ihn
meistens nicht interessiert.«
»Kann man denn so erfolgreich sein?«
»Eigentlich nicht. Aber Tobias hat es irgendwie geschafft,
doch einige Partien zu gewinnen. Ich nehme an, weil er häufig alle anderen
Spieler überraschen konnte. Und dann auch teilweise sehr kluge Züge gemacht
hat.«
»Ich kann mir vorstellen, dass ein Spieler wie Tobias bei
anderen Spielern, die alles sehr viel ernster nehmen, nicht besonders beliebt
war.«
»Ja, das kann sein. Auf der anderen Seite sind die
Spieler, die sich selbst so ernst und wichtig nehmen, in der Community auch
recht unbeliebt. Den meisten ist klar, dass wir hier ein Spiel spielen, und das
soll ja Spaà machen.«
Ich dachte an Elias Grams. Er gehörte ohne Zweifel zu den
ernsten und wichtigen Spielern.
»Wir haben gestern die Auswertung verfolgt. Ich glaube,
Herr Grams hatte mit anderen Zügen gerechnet.«
Martin Pracht lächelte. »Natürlich hat er das. Wir haben
ihn reingelegt.«
»Schon wieder.«
»Ja, schon wieder.«
»Das scheint Sie zu freuen?«
»Elias ist ein guter Spieler. Ihn auf diese Weise reinzulegen,
war nicht einfach.«
»Wie geht es denn nun weiter? Haben Sie noch Kontakt zu
ihm?«
»Aber natürlich. Wir sind Diplomaten und verhandeln immer
weiter und immer wieder aufs Neue. Er hat mich gestern Abend noch
angeschrieben.«
»Was schreibt er denn?«
»Oh, er macht das echt gut. Er schreibt mir quasi, wenn
ich ihm nicht doch noch helfe, bin ich schon so gut wie verloren.«
»Wie denn das?«
»Er schreibt, wenn ich Russland helfe, ihn auszuschalten,
wird Russland stark werden und als Nächstes mich angreifen.«
»Und?«
»Sie meinen, ob das stimmt?«
Nina nickte.
»Da ist schon etwas dran. Es ist ein klassisches russisches
Vorgehen. Er nimmt sich einen nach dem anderen vor und schaltet seine Gegner
aus. Erst die Türkei gemeinsam mit Ãsterreich, dann Ãsterreich gemeinsam mit
Italien.«
»Sie helfen ihm trotzdem weiter?«
»Ich spiele gemeinsam mit Russland.«
»Haben Sie keine Angst, ausgeschaltet zu werden?«
Martin Pracht lachte. »Ich spiele Ãsterreich. Sehen Sie,
wenn man als Ãsterreicher auch nur einigermaÃen brauchbare Spieler als Nachbarn
hat, ist man ohne jede Chance. Sie können ganz sicher sein, dass alle Nachbarn
Ãsterreichs schon vor dem ersten Zug Pläne schmieden, wie die österreichischen Gebiete
am besten aufzuteilen sind. Von daher bin ich schon jetzt sehr zufrieden,
überhaupt noch in der Partie zu sein.«
Einen so demütigen Spieler hatten wir noch nicht erlebt.
Ich fragte: »Dann ist Ãsterreich kein beliebtes Land unter den
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