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Gegen jede Regel

Gegen jede Regel

Titel: Gegen jede Regel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Stammsen
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Marla hätten gute Dominanz Spieler abgegeben. Sogar für
echte Face-to-Face-Partien. Ich wusste, was folgen würde. Und während ich das
Schema aufrief, schrumpfte der Raum um mich herum. Die Luft wurde stickig,
klebte in meiner Lunge, mir wurde schwindelig. Die Wände begannen, sich zu
drehen. Ich schwankte.

    Ich sagte zu Nina: »Bleib du hier.« Dann floh ich aus dem
Beobachtungsraum.

    Vielleicht hatte ich gerade das erlebt, was Michael Brodbeck
geschildert hatte. Abscheu bei der Entdeckung, dass Täuschung und Intrige sich
vor meinen Augen im echten Leben entfalteten und nicht alle Teilnehmer das
vorher in den Spielregeln hatten nachlesen können. Ein Labyrinth aus Halbwahrheiten
und Manipulation, in dem Egon und Marla Frau Veen weitgehend unnötig
aussetzten, nur um ihr Geständnis ein wenig spektakulärer zu gestalten.

    Davon abgesehen glaubte ich nicht, dass es ein Geständnis
geben würde. Sicher würde sie zugeben, Tobias am Sonntag getroffen zu haben.
Und sie würde zugeben, was auch immer bei diesem Treffen geschehen war. Aber
einen Mord würde sie nicht gestehen.

    Als ich am Ende dieses Gedankens aufschaute, stellte ich
überrascht fest, dass ich vor der Tür des Polizeipsychologen Dr. Klein stand.
Vielleicht waren meine Füße klüger gewesen als mein Kopf. Ich klopfte und Dr.
Klein rief mich herein.

    Er stand auf, als er mich erkannte. »Herr Wegener, wie
schön, Sie zu sehen«, sagte er. Er kam um seinen Schreibtisch herum und schüttelte
mir die Hand. »Warum setzen wir uns nicht?«

    Wir nahmen an seinem Besprechungstisch Platz. Sogleich
fühlte ich mich gut aufgehoben. Von der Präsenz dieses Mannes ging die
Gewissheit aus, dass es in diesen Räumen weder Lügen noch Täuschungen geben
würde und ich mit meinem Anliegen, welches auch immer es sein mochte, willkommen
war.

    Â»Was führt Sie zu mir?«, fragte Dr. Klein.

    Â»Es gibt in meinem aktuellen Fall eine Frage, die mir
nicht mehr aus dem Kopf geht. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich sie alleine
lösen kann.«

    Â»Dann nur heraus damit«, sagte er.

    Ich schilderte den gesamten Fall im Überblick und berichtete
dann detailliert, womit Tobias sich beschäftigt hatte, was in seinem Leben
bedeutsam war und wie viel Zeit er dafür investiert hatte.

    Â»Sehr interessant«, sagte Dr. Klein.

    Â»Das stimmt. Aber ich habe so eine Person noch in keiner
Ermittlung, die ich bisher geführt habe, erlebt. Ich meine, er komponierte,
leitete eine Band, er programmierte, er spielte zeitaufwendige Computerspiele,
er besuchte die gymnasiale Oberstufe und er hatte diverse Beziehungen, die er
unter einen Hut bringen musste. Wie passt das alles zusammen?«

    Â»Er war sehr aktiv«, bestätigte Dr. Klein. »Worauf genau
wollen Sie mit Ihrer Frage hinaus?«

    Â»Ist so etwas denn normal? Wie konnte er das bewältigen?
Schließen sich nicht ein paar Sachen auch gegenseitig aus? Andere wären doch
schon überfordert allein mit Schule und Band.«

    Â»Das ist sicher richtig.« Er faltete nachdenklich seine Hände.
»Haben Sie denn schon ermittelt, wie viele Stunden er in der Woche mit welcher
Aktivität verbracht hat?«

    Â»Ja, ungefähr. Soweit das möglich war.«

    Â»Hat er alle diese Aktivitäten in gleicher Intensität betrieben?«

    Â»Nein, er hatte Schwerpunkte.«

    Â»Welche waren das?«

    Â»Die Band benötigte am meisten Zeit. Spiele, Programmieren
und die Beziehungen außerhalb der Band lagen ungefähr gleichauf.«

    Â»Ich kenne diese Spiele. Sie nebenher zu machen, ist
nicht möglich, sie erfordern sehr viel Übung.«

    Â»Wir haben vom Informatiklehrer und seinen Freunden erfahren,
dass er sein Training sehr vernachlässigt hat.«

    Â»Immer schon?«

    Â»Erst im letzten Jahr«, sagte ich. Dann dämmerte mir,
worauf Dr. Klein hinauswollte. »Er steckte in einem Entwicklungsprozess.«

    Er nickte. »Der Junge hatte das typische Alter dafür. Hobbys
aus der Kindheit und Jugend hatten noch eine Bedeutung, aber er zeigte auch
schon Interessen und Aktivitäten eines Erwachsenen. Und weil er in einer
Übergangsphase war, fand man bei ihm alles.«

    Â»Die einen Aktivitäten immer noch, die anderen aber auch
schon«, sagte ich nachdenklich und versuchte, mein Wissen in dieses neue Raster
einzufügen. »Das heißt, das Spielen und insgesamt die

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