Gegen jede Regel
festzustellen, dass sich dadurch kein Ausweg, sondern
nur eine weitere Sackgasse aufgetan hatte.
»Und nachdem Sie festgestellt haben, dass Sie sich nicht
unterhalten konnten?«
»Ich war verwirrt. Frustriert. Ich ärgerte mich über mich
selbst, weil ich das nicht vorhergesehen hatte.«
»Und was haben Sie gemacht?«
»Ich bin nach Hause gefahren.«
»Wo Sie allein waren?«
»Ja.«
»Wann sind Sie nach Hause gefahren?«
»Gegen einundzwanzig Uhr.«
»Sie waren eineinhalb Stunden bei Tobias?«
Sie nickte und senkte den Blick. Ihre Wangen röteten
sich. Anscheinend hatte sie eine ganze Menge Bedürfnisse mit zu Tobias
gebracht.
»Was haben Sie zu Hause gemacht?«
»Ich habe Wein getrunken und ferngesehen.«
»Hatten Sie nicht den Gedanken, noch einmal zu Tobias zu
fahren?«
»Doch, natürlich. Es war so einsam zu Hause. Es waren
furchtbare Stunden. Mit Tobias war ich wenigstens nicht alleine.«
»Aber?«
»Dann dachte ich mir, ich hatte schon genug Unsinn gemacht.
Es kam mir erbärmlich vor, dass ich es nicht einmal aushalten konnte, eine
Stunde alleine vor dem Fernseher zu sitzen. Wieder zu ihm zu fahren hätte
bedeutet zu fliehen. Und das wollte ich nicht mehr. Deshalb blieb ich daheim.«
Egon schwieg einen Moment. Dann sagte er langsam: »Frau
Veen, ich habe ein Problem mit Ihrer Aussage. Lassen Sie mich ganz ehrlich
sein. Wir befragen Sie nun zum dritten Mal. Weder gegenüber meinen Kollegen
noch uns gegenüber hatten Sie bisher zugegeben, am Sonntagabend mit Tobias zusammen
gewesen zu sein.«
Elisabeth Veen schaute Egon mit groÃen Augen an. Vielleicht
weil sie sich unvermittelt in der Rolle einer dummen Schülerin befand, die
belehrt wurde.
»Jetzt nennen Sie mir einen Grund, warum ich Ihnen
glauben sollte, dass Sie im Verlauf des Abends zu Hause waren. Es gibt dafür
keine Zeugen. Kein Alibi.«
Frau Veen hatte darauf keine Antwort.
»Sie haben uns mehrmals belogen. Erst als ich Sie mit Beweisen
konfrontiert habe, haben Sie das Offensichtliche zugegeben. Und deshalb fällt
es mir schwer, Ihnen jetzt zu glauben.«
Veens Augen weiteten sich auf MangagröÃe.
»Ich denke, Sie sind nach Hause gefahren. Dann ist Ihnen klar
geworden, dass Sie es vermasselt haben. Mit einem Ihnen anvertrauten Schüler zu
schlafen, würde das Ende Ihrer Ehe und Ihrer Berufslaufbahn bedeuten. Sie
verlieren Ihre Stelle und auch alle Pensionsansprüche. Was sollte aus Ihnen werden,
wenn das herauskam? Die E-Mails waren ja schon schlimm genug. Aber Sex? Das wäre
der Todesstoà für Sie gewesen.«
Frau Veen schüttelte hilflos den Kopf.
Egon lieà nicht locker: »Ihr Leben wäre zerstört gewesen.
Was sollten Sie tun? Sie waren verzweifelt. Und dann kam Ihnen der rettende
Gedanke. Tobias musste zum Schweigen gebracht werden. Sie fuhren noch einmal zu
ihm und brachten ihn um. Er sah in Ihnen keine Gefahr, Sie hatten leichtes
Spiel. Sie lieÃen ihn einfach liegen. Sie wussten über seine anderen
Verwicklungen Bescheid. Der Verdacht würde schon auf eine der Schülerinnen
fallen. Oder auf Jan. Und Sie würden mit einem blauen Auge davonkommen, selbst
wenn die E-Mails entdeckt würden.«
»Das stimmt nicht«, sagte die Lehrerin matt.
»Frau Veen, überlegen Sie sich jetzt genau, was Sie sagen
wollen und was nicht«, sagte Egon und beugte sich bedrohlich über den Tisch. »Wer
einmal lügt, dem glaubt man nicht.«
Jetzt erinnerte sie sich offenbar an die Belehrung über
ihre Rechte, denn sie fragte: »Brauche ich einen Anwalt?«
Egon nickte. »Ja, den brauchen Sie in der Tat.«
Marla zeigte auf das Telefon auf dem Tisch, Egon verlieà das
Zimmer und erschien kurz darauf im Beobachtungsraum.
Er lächelte säuerlich. »Na, was meinen Sie?«, fragte er
den Staatsanwalt.
»Könnten Sie noch einmal zusammenfassen, was wir gegen
diese Frau in der Hand haben?«, bat Niklas Macke.
»E-Mails mit einem Schüler.«
Macke schüttelte den Kopf. »Irrelevant.«
»Sex mit einem Schüler.«
»Beamtenrechtlich eine Katastrophe für Frau Veen. Strafrechtlich
irrelevant.«
»Behinderung unserer Ermittlungen. Falschaussage.«
»In Ordnung.«
»Dringender Tatverdacht.«
»Worauf gestützt?«
»Ihre Beziehung zum Opfer. Ein starkes Motiv. Und ein
fehlendes
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