Gegen jede Regel
Alibi.«
Der Staatsanwalt schaute nachdenklich durch den Spiegel
in den Verhörraum. Elisabeth Veen hatte offenkundig eine sehr schlechte Zeit
mit sich selbst. »Ich halte sie auch für verdächtig. Aber uns fehlen die
Beweise. Hätte sie es nicht zugegeben, könnten wir noch nicht einmal beweisen,
dass sie am Sonntag mit ihm geschlafen hat.«
Egon funkelte Niklas Macke wütend an und presste die
Lippen aufeinander. Ich vermutete, dass er dadurch einige unbedachte ÃuÃerungen
zurückhielt. »Wir haben die Aussage des Nachbarn.«
»Das ist richtig. Aber die besagt nur, dass sie am frühen
Abend dort war. Als die Polizei bei Tobias war, war die Veen schon weg. Ihre Aussage
passt mit allen anderen Informationen, die uns vorliegen, zusammen. Und wir
haben keine Beweise dafür, dass sie später noch einmal zurückgekommen ist.
Keine Zeugen, keine Spuren. Wir haben noch nicht einmal Fingerabdrücke von ihr
gefunden, oder?«
»Nein«, sagte Egon und erinnerte mich dabei an Elias
Grams.
»Dann tut es mir leid, Herr Kamenik. Wir können nichts
machen. Das reicht noch nicht einmal für einen Haftbefehl. Von einer Anklage
ganz zu schweigen. Das ist einfach zu wenig.«
Egon war die personifizierte Frustration. Er stampfte sogar
mit dem Fuà auf, bevor er aus dem Raum stürzte. Sekunden später tauchte er nebenan
wieder auf und stürmte auf Elisabeth Veen zu. Der konnte es eigentlich egal
sein, ob sie sich selbst quälte oder von Egon gequält wurde.
Sie hatte ihr Telefonat beendet. Egon fuhr direkt
schweres Geschütz gegen sie auf. »Frau Veen, ich habe gerade mit meinen
Kollegen von der Schutzpolizei gesprochen.«
Entweder das beeindruckte sie nicht besonders oder sie
konnte dieser neuen Wendung nicht folgen.
»Wussten Sie, dass Tobias wegen zu lauter Musik am
Sonntagabend angezeigt wurde?«
Die Lehrerin zeigte sich überrascht, schwieg aber.
»Meine Kollegen haben die Anzeige gegen 22:55 Uhr aufgenommen
und sind dann wieder gefahren. Was besonders interessant ist: Meine Kollegen
sind besonders gründlich und sind daher später am Abend noch einmal bei den
Maiers vorbeigefahren.«
Ich fand das einen ziemlich guten Bluff. Für Elisabeth
Veen war es entweder ein Bluff zu viel oder sie hatte von ihrem Anwalt am
Telefon bereits eindeutige Anweisungen erhalten. Sie verschränkte die Arme vor
der Brust, reckte Egon ihr Kinn entgegen und gewann so einiges von ihrer Würde
zurück. Vielleicht war für sie auch einfach die Zeit gekommen, sich selbst und
anderen gegenüber für klare Verhältnisse zu sorgen.
»Die Kollegen sind im Moment nicht im Dienst, aber ich
lasse gerade ihren Bericht von diesem Abend heraussuchen«, sagte Egon mit düsterem
Unterton.
Die Veen schwieg mit dem Anflug eines Lächelns. Vielleicht
hatte sie Egon durchschaut und amüsierte sich über ihn. Oder sie war wirklich
zu Hause gewesen, glaubte Egon und erhoffte sich von diesem Bericht nun
Entlastung.
Bevor Egon das weiter ergründen konnte, betrat ein Mann
den Verhörraum, der sich als Olaf Brenner, Elisabeth Veens Anwalt, vorstellte.
Er trug einen dunklen Anzug, hatte scharf geschnittene Gesichtszüge, zurückgegeltes
Haar und trug eine Gelehrtenbrille. Elisabeth Veen hatte ihr Anliegen offenbar
sehr drängend geschildert. Brenner ignorierte zunächst Egon, ging direkt zu
seiner Mandantin und erkundigte sich, wie es ihr gehe.
Egon war etwas irritiert über diesen Vorgang. Der Anwalt
bekam einen Stuhl und setzte sich neben seine Mandantin. Er platzierte seinen
Aktenkoffer auf dem Tisch, als wolle er eine Barriere zwischen sich und Egon
errichten.
Dann wandte er sich mit ernstem Gesicht an Egon: »Herr
Kamenik, ich muss schon sagen, ich bin sehr irritiert über das Vorgehen der
Polizei. Meine Mandantin wird vor den Augen der Schüler aus dem Unterricht
geholt wie eine Verbrecherin, wird hierher gebracht und von Ihnen in einer
unangemessenen Weise verhört und des Mordes beschuldigt, ohne dass Sie für Ihre
Anschuldigungen auch nur einen einzigen Beweis anführen können.«
Olaf Brenner hielt offenbar nicht viel davon, sich erst
einmal an seinen Gegner heranzutasten. Seine volle Breitseite entfaltete in
diesem Fall die gröÃte Durchschlagskraft.
»Ihre Mandantin hat zugegeben, mit dem Mordopfer, einem
von ihr unterrichteten Schüler, am Abend des Mordes Geschlechtsverkehr
Weitere Kostenlose Bücher