Geh auf Magenta - Roman
entschlossener Stimme, es müssten inzwischen einige Schecks von Bohm & Partner da sein, ebenso ein Beleg der Tantiemen des letzten Buches und einige Museumsanfragen, er würde die gerne abholen kommen, sie solle ihm doch sagen, wann es gehen würde. Die Antwort kam prompt per SMS: Es ist nur Werbung, ich lasse sie dir per Taxi bringen, wenn du willst. Gruß M.
Es setzte sich, einige Schweißperlen liefen ihm die Stirn hinab. Er fühlte intuitiv, dass es gut wäre, diesen Tag bereits hinter sich zu haben; ein Tag, an dem er zwangsläufig an die Grenzen seiner Wahrnehmung geraten würde, denn wie konnte man das überhaupt begreifen? Dass dort, wo vorher seine gewohnte Welt war, nun ein gähnendes Loch in der Form des Displays seines Handys ihn anstarrte. Ein neues Atemholen, er fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht und blickte wieder starr auf den Rechner. Das hier, jetzt, mochte ein bedrohlicher Moment der Nähe zum Wahnsinn sein, es bedurfte wohl nicht mehr viel, um einfach durchzudrehen.
Er musste etwas tun.
Im Google-Suchfeld gab er schnell hintereinander unsinnige Begriffe wie Thailand, neue Filme, Unglück, Glück, endloses Glück ein – die Ablenkung gelang in keiner Weise, das gähnende Loch grinste weiter gehässig herüber, mehr noch, es dehnte sich zur Zimmergröße aus, brach durch die Wände des Ateliers, bis auf die Straße; – er blickte wieder auf den Rechner und gab etwas langsamer die Wörter zu Hause, Wohlfühlen und Entspannung ein, bereits die erste Werbeseite versprach sofortige Hilfe:
Entspannungs-Übungen, um Burnout zu vermeiden
Mit Training für Geist und Körper finden Sie wieder Ihre innere Balance. Wir verraten Ihnen, wie Sie mit ein paar einfachen Entspannungs-Übungen relaxen können und so der völligen Erschöpfung vorbeugen. Termindruck, zu viel Arbeit, Doppelbelastung in Familie und Beruf, vielleicht noch Mobbing im Job. Studien zeigen, dass immer mehr Krankschreibungen auf das Konto Stress und Burnout gehen. Doch es gibt Auswege aus der für den Körper überforderten Situation. Ein paar wirksame Entspannungs-Übungen (Auswahl) nennen wir Ihnen hier: Muskeln an- und entspannen. Legen Sie sich ausgestreckt aufs Bett. Dann spannen Sie Ihren Körper an, so viele Muskeln wie möglich. Halten Sie diesen angespannten Zustand für ca. eine halbe Minute. Lassen Sie dann wieder alle Muskeln locker und entspannen sich. Das tut gut! Eine weitere Entspannungsübung, die auf einem Märchen der Gebrüder Grimm basiert, folgt jetzt: Stehen Sie barfuß und aufrecht. Ihr gesamter Körper bildet eine gerade Linie. Breiten Sie Ihre Arme aus und halten Sie sie mit den Handflächen nach oben ausgestreckt neben Ihrem Körper. Legen Sie Ihren Kopf in den Nacken, schließen Sie die Augen und lösen Sie sich von allen störenden Gedanken. Nun stellen Sie sich vor, dass eine strahlend weiße Wolke über Ihnen schwebt und feinen, goldenen Regen auf Sie herabregnen lässt. Sobald dieser Glitterregen Ihren Körper berührt, wird er zu purer und reiner Energie, die Sie mit Ihrem Körper komplett aufnehmen. Spüren Sie, wie die frische Energie Ihren Körper durchfließt und sich in den Adern ausbreitet. Sobald die Füße beginnen, sanft zu kribbeln, schütteln Sie Ihre Beine nacheinander aus und stellen sich dabei vor, wie alles Negative abgeschüttelt wird. Jeder Körperteil, der kribbelt, wird ausgeschüttelt, bis sich nur noch positive Energie in Ihnen befindet.
Schwachsinn. Weitere Klicks. Die Werbeseiten gaben nichts Neues her, schließlich tippte er das Stichwort Gewohnheit ein, alles war besser als dieser grinsende Horror Vacui im Display dort drüben.
Als Gewohnheit (auch Usus , lat. uti »gebrauchen«) wird eine unter gleichartigen Bedingungen entwickelte Reaktionsweise bezeichnet, die durch Wiederholung stereotypisiert wurde und bei gleichartigen Situationsbedingungen wie automatisch nach demselben Reaktionsschema ausgeführt wird, wenn sie nicht bewusst vermieden oder unterdrückt wird. Es gibt Gewohnheiten des Fühlens, Denkens und Verhaltens. Stark ausgeprägte oder starre Denk- und Verhaltensgewohnheiten können für die Kreativität abträglich sein und zu einem eingefahrenen, mehr oder weniger gedankenlosen Reagieren führen. Zudem erfordert gewohnheitsmäßiges Reagieren wegen seines reflexartigen Ablaufs wenig Aufmerksamkeit. Ausgeprägtes gewohnheitsmäßiges Reagieren kann daher zu selektiver Aufmerksamkeit führen und darüber zu gewohnheitsmäßiger Unaufmerksamkeit –
Er
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