Geh auf Magenta - Roman
Rob sah ihm dabei mit einer Mischung aus Mitleid und Sorge zu.
»Hier. Das steht’s«, sagte Bastien ruhig.
»Was, verdammt?!«
»Mein Manifest.«
»Man schreibt keine blöden Manifeste mehr. Das ist Kitsch.«
»Hör zu: Ich treffe diese Entscheidung auf der Basis meines eigenen Konzeptes, das heißt: dieser Tod, mein Tod, ist eine bewusste Installation der bildenden Kunst. Dieses Sterben meines Körpers ist die Kunst an sich, so verstehe ich es. Ebenso halte ich hier fest, dass ich in der ganzen Welt der Erste bin, der das tut; ich bin der Erste, der den bewusst eigen herbeigeführten Tod als Gegenstand der Kunst definiert. «
Bastien blickte ihn lächelnd an. Sein Kopf sackte kurz nach vorne, und der Stift fiel ihm aus der Hand. Rob spielte an seinem Glas herum, er fragte sich natürlich, ob er ihn in dieser angeschlagenen Verfassung allein lassen könne, ob er für die Nacht nicht besser bei ihm bleiben sollte. Bastien konnte einen wirklichen Borderline-Kandidaten abgeben. Er ging unruhig durch das Atelier, er sei vollkommen bescheuert, an so etwas überhaupt zu denken, es ginge jetzt nur um eines: nach vorne zu schauen und diesen Mist aus dem Kopf zu bekommen. Sein Blick fiel auf Bastiens Computer, der mit angeklebten Zetteln übersät war, so dass nur noch ein Teil des Bildschirmes darunter hervorlugte. Am besten, er würde sich einfach mit Facebook ablenken, oder was auch immer; schließlich ginge es ja um Überraschungen, genau, da müsse er ran, eine echte Überraschung wäre das Einzige, was ihn jetzt auf andere Gedanken bringen könne. Er startete Bastiens Computer und blickte ihn auffordernd an; – wie wäre es gleich jetzt? Woraufhin Bastien seinen Stuhl schwerfällig zum Computer zog, seine Facebook-Adresse eingab und mit dem Zeigefinger die Worte Wer hat Bock auf Tod als Kunst? als Statusmeldung eingab. Rob sah kopfschüttelnd auf den Bildschirm. »Du Idiot, ehrlich.«
»Was ist? Das wolltest du doch.«
»Nicht das . Idiot.«
Damit schien auch die letzte Chance vertan, Bastien für diese Nacht allein lassen zu können. Er ging hinüber in sein Atelier, nahm sich eine Daunendecke aus dem Schrank, schmiss sie neben Bastiens Lager auf den Boden und zog sich genervt aus.
Bastien starrte noch einen Moment lang auf den unruhig flackernden Bildschirm und konnte nicht anders, als an Mel zu denken. Was würde sie jetzt tun? Bestimmt säße sie in der Küche, würde auf ihr Handy starren und sich überlegen, wie sie sich am besten bei ihm entschuldigen könnte. Morgen würde er sie anrufen, freundlich, harmonisch, vertraut, dann wäre alles wieder gut. Mit dieser Erkenntnis und einem vorerst seligen Gefühl legte er sich hin – genau, dann wäre alles wieder gut.
( Gut war in dieser Situation für Bastien allerdings nur eines: dass er nicht sehen konnte, was Mel zur selben Zeit sah, und das war Thomas’ schweißnasser Oberkörper, an den sie ihren Kopf schmiegte, während sie ihre Hand auf seinen Oberschenkeln spielerisch hin- und hergleiten ließ.)
Der Schlaf wollte sich nur in kurzen Intervallen einstellen, er wälzte sich hin und her. Die Bilder blitzten zuerst stoßweise auf, verdichteten sich dann zu einem tumultartigen Szenario im nächtlichen Treppenhaus – richtig, die Party, er hatte ja eingeladen, also bitte schön, herein die Damen und Herren, wie langweilig, allein zu sterben, sehen Sie ruhig zu, wie man das anständig macht. Die Menschenmasse schob sich die Treppen hoch, vereinzelte Gestalten liefen hinab, einige stießen lautstark mit anderen aneinander und stürzten hin, grölend stieg die Masse über sie hinweg, das Bersten der Knochen vermengte sich mit dem hellen Klang der Gläser, an einem solchen Tag musste man trinken! Auch die Rückenlage auf der Matratze half jetzt nichts, schon standen alle vor der Tür und prosteten ihm zu; da war Mel, Arm in Arm mit einem grauen Frosch, im Getümmel erkannte er Rob, auch Sonia, sie liefen aufeinander zu und verfehlten sich nur um Haaresbreite; – ein neuer Wirbel der Insektenleiber auf dem Absatz, jemand flog aus dem Fenster, der Beifall klirrte an den Wänden wider, helau, so hatte ein Sterben auszusehen und nicht anders. Da gab es nasse Klapse auf seine Schulter, ein fröhliches Genicke, gut sei das, es endlich einmal allen zu zeigen, wer denn hier der Boss sei, so einfallsreich und lustig wäre ja noch niemand aus dem Leben geschieden, man sei ja schon so gespannt, und wie er es denn machen würde, mit dem Strick oder doch nur mit
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