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Geh auf Magenta - Roman

Geh auf Magenta - Roman

Titel: Geh auf Magenta - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frankfurter Verlags-Anstalt
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E-Stücke, brav aneinander, ein Stück der armen Frau, ein Stück der armen Frau, Stücke der armen Frau, ein langer Spalt im Spiegel, wieder öffne ich die Augen, ich kann nichts vergessen, auch das nicht, was nicht mehr ist.
    Er kommt jeden Abend in dieses Zimmer. Steht dann lang am Fenster und betrachtet den Mond. Vielleicht hält er auch Zwiesprache mit einer Spinne; die beißt ihn und bohrt eins ihrer Beine in seine Brust, was ihm denn einfallen würde, natürlich mache man das nicht, das wäre ja was, wie könne man nur, so etwas Dummes, die eigene Tochter ficken, na hören Se mal, was ist denn das? Sie ist doch noch viel zu jung, das arme Ding, so in zwei, drei Jahren sähe das doch ganz anders aus –
    Sie stoppte und blickte lange auf ihre schmalen Finger auf der Tastatur, sie hatte eigenartig dünne Finger, wie sie dachte, wie von einem Insekt, einem Schneider oder einer anderen Spinne. Wahrscheinlich vererbt, von ihrer Oma, denn ihre Oma war ja so ein dünnes Insekt. Sie konnte sich noch erinnern, wie sie durch das Haus stolzierte, wie ihr Vater ihr hinterherrannte und ihr jeden Wunsch von den Lippen ablas, sie erinnerte sich an seine Angst, an die Schweißperlen auf seiner Stirn, genau, ihre Oma war ein Insekt. Ist es ehrenwert, von einem Insekt abzustammen? Oder doch besser von einem Reptil? Eine gute Frage, sie könnte sie an Bruder senden, dem würde dazu bestimmt etwas einfallen.
    Ich steige den Berg an, unter meinen Füßen bricht loses Geröll in die Tiefe; ich steige weiter, immer höher, die Luft wird dünn, gleich bin ich oben. Der Atem rasselt, ein paar Schritte noch, dann sehe ich das Meer, das Blau, die Ferne, unter mir der Abhang, steil und tief, nur ein Schritt, zwei vielleicht, drei, ich stehe. Der Felsen wölbt sich rund, einige Möwen sitzen da und starren mich an, sie suchen nach meinen Flügeln, ich habe keine – nein, das steht fest, ich habe keine. Der Felsen kommt näher, ich gehe in die Knie, ziehe mich heran, an sein Ende, stehe dann aufrecht, vor mir nur das dumme Blau. Ein leichtes Bewegen der Muskeln, ein Ziehen an den Sehnen, nur ein kurzes Wollen, dann wäre ich jetzt dort, im endlosen Blau. Nur ein leichtes Bewegen. Nur noch das.
    Sie blickte kurz aus dem Fenster. Draußen lag Schnee, das war ihr noch gar nicht aufgefallen, schön. Und uninteressant.
    Ich springe.
    *
    Kirsten, die wie immer sehr pünktlich war, sah Bastien gehetzt über die Straße kommen. Irgendwie schien er dünner geworden zu sein, das mochte im scharfen Licht der Straßenlaternen aber auch nur so aussehen. Gut. Es stand ihm. Jetzt öffnete er die Tür zum Foyer und blickte sich suchend um, auch das stand ihm, es hätte der Werbung für ein Parfum entsprungen sein können – unrasierter, gutaussehender Mann stolpert in der Pariser Oper zufällig über eine dahergehende Dame im Abendkleid und sieht ihrem Duft nach; sie blickt sich lächelnd um und lässt ein Tuch fallen, nachher fallen beide übereinander her , so etwas in der Art.
    Sie beobachtete ihn.
    Während Bastien die Tür zum Foyer öffnete, ließ er seinen Blick suchend über die Umherstehenden gleiten, es war schon einige Zeit her, dass er Kirsten getroffen hatte. Schließlich nahm er sie aus den Augenwinkeln seitlich an der Kasse wahr, tat aber so, als suche er weiter, er musste sich erst an ihren vertrauten Anblick gewöhnen; wie immer war sie gut gekleidet, eben modern aus seiner Sicht, auch hatte sie eine neue Frisur, das braune Haar lag jetzt als Pony in ihrer Stirn, das machte sie jünger. Er fragte sich, wie sie ihn begrüßen würde, herzlich oder doch eher reserviert; er fasste sich und ging auf sie zu, sie umarmten sich.
    »Hab schon die Karten. Es geht auch nur anderthalb Stunden«, sagte sie, als ob sie sich jetzt schon für das Stück entschuldigen müsste. Bastien zückte sein Portemonnaie, sie winkte ab, die IT-Branche würde ja boomen, sie könne ihn ja wie früher als Subunternehmer einladen, woraufhin er verlegen grinste, gut, sorry, und dann sei er auch noch zu spät. Wie zur Bestätigung winkte die Platzdame ihnen zu, es wurde Zeit. Schnell gingen sie hinein, glücklicherweise hatten sie Plätze am Rand, so dass sie sich verstohlen hinsetzen konnten. Die Schauspieler standen schon auf der Bühne.
    Nachdem das allgemeine Räuspern sich gelegt hatte, begannen sie; es ging um eine Szene aus den Vorbesprechungen zu einem Film. Ein Regisseur ging unruhig umher und erklärte einer Schauspielerin den beabsichtigten Film, ebenso ihre

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