Geh Ich Auf Meine Hochzeit
hätte.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, beruhigte die Maskenbildnerin sie, als sie das Zittern von Olivias langen Wimpern bemerkte. »Auf dem Bildschirm würden Sie ohne eine dunkle Grundierung geradezu anämisch wirken. Dieses Zeug hier ist perfekt geeignet fürs Fernsehen, glauben Sie mir.«
Da Olivia von diesem Metier keinerlei Ahnung hatte, äußerte sie sich nicht weiter dazu. Vielleicht war es ja vorteilhaft, vor der Kamera wie eine Mandarine auszusehen? Was wusste sie schon?
Seit sie vor einer halben Stunde das Studio betreten hatte und, ohne den Produzenten zu sprechen, sofort zur Maskenbildnerin geführt worden war, fühlte sie sich wie ein Kind am ersten Schultag. Leute eilten ständig mit Schreibunterlagen und wichtigen Mienen an ihr vorüber.
Die in Jeans gekleidete Praktikantin, die Olivia zur Maskenbildnerin begleitet hatte, hätte unterwegs fast einen Herzinfarkt bekommen, als das an ihren Jeans befestigte Handy laut zu klingeln begann.
»Was? Ich habe doch gesagt, ich will nicht gestört werden!«, kreischte sie ins Telefon. Es schien ihr nichts auszumachen, dass Olivia unmittelbar neben ihr stand.
Himmel!, dachte Olivia. Wenn schon die Allerjüngsten mit Mobiltelefonen und einer arroganten Attitüde ausgestattet waren, wie würden sich dann erst die Programmgestalter und Chefs hier gebärden? Sicher würde es ein Alptraum werden.
»Sie haben ein sehr gleichmäßiges Gesicht«, lobte die Maskenbildnerin, als sie ihre Aufmerksamkeit Olivias Augen zuwandte. »Es ist eine Freude, mit Ihnen zu arbeiten. Waren Sie früher einmal Fotomodell?«
Olivia grinste. Ihr war klar, dass sich dadurch Falten bildeten und sie das Auftragen des Lidschattens erschwerte.
»Nein«, sie schüttelte belustigt den Kopf.
»Hätten Sie aber sein können!« Die Maskenbildnerin seufzte. »Schade eigentlich. Wenn ich an so manche Hexe denke, die ich hier schminken muss. Die kommen herein wie ein ungemachtes Bett! Und dann kriegen sie einen Wutanfall, wenn sie am Ende nicht wie Claudia Schiffer aussehen.«
Alle Anwesenden lachten laut auf. Dann wurde geschwatzt und darüber diskutiert, welcher der Fernsehstars am wenigsten einem Supermodel ähnelte.
Nach einer Viertelstunde konnte sich Olivia im Spiegel bewundern, der tatsächlich von Glühbirnen umgeben war.
Ihre silbrigen Augen funkelten unwiderstehlich, und ihre vollen Lippen glänzten in einem leicht violetten Farbton, der demjenigen ihres amethystfarbenen Hosenanzugs entsprach. Das blonde Haar umrahmte in seidigen Strähnen ihr Gesicht. Sie sah blendend aus.
»Danke«, wandte sie sich an die Maskenbildnerin. »Sie haben mich entspannt, vorher war ich so nervös!«
Die Dame lächelte. »Es ist ein Vergnügen, jemanden wie Sie herzurichten. Jemand Nettes, der es auch zu würdigen weiß!«
Im unteren Stockwerk folgte sie einem ebenfalls freundlichen und recht ungefährlich wirkenden Produktionsassistenten ins Studio. Er hieß Kevin, war jung, unterhaltsam und attraktiv - ein ganz anderes Kaliber als die Praktikantin von vorhin. Die platinblonde Kurzhaarfrisur stand ihm gut und ließ seine dunkle Haut exotisch wirken.
Vor der Tür zum Studio 1 blinkte ein rotes Licht.
»Nicht eintreten, wenn das Licht eingeschaltet ist«, stand auf einem großen Schild an der Wand.
»Sollen wir wirklich hineingehen?«, erkundigte Olivia sich mit Blick auf das alarmierende Rot.
»Kein Problem«, winkte Kevin ab. »Sie bereiten gerade eine Sendung für morgen vor, aber hier hören sie uns nie und nimmer. Es ist eine Band, die Wild Men. Man könnte in der Rezeption eine Atombombe zünden, das würde kein Mensch im Studio 1 mitbekommen.«
»Aha.« Olivia bezweifelte, ob sie sich wohl jemals in der Fernsehwelt zurechtfände. Sie folgte Kevin, dessen Hintern in mehr als engen Jeans steckte, ins Studio.
Es war ein Mega-Raum mit schwarzen Wänden voller Kabel, die sich hinter dem terracottafarbenen Set von Die-guten-Morgen-Frühstücksshow verbargen. Im Halbschatten hinter dem Aufnahmebereich standen Männer und Frauen mit Walkie-Talkies gelangweilt herum, während zur Linken, hinter zwei leuchtend himbeerroten Samtsofas mit Kissen in Primärfarben, eine schon etwas betagte Rockband mit orangenen Sonnenbrillen ihren neuesten Hit lauthals zum Besten gab.
Der Lärm war ohrenbetäubend, obwohl Olivia hätte wetten können, dass die Band nicht live spielte.
»Do it, baybee!«, wiederholte sich der Text pausenlos, während der Sänger sich theatralisch das Mikrophon fast in den Mund
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