Geh nicht einsam in die Nacht
betrunken wie die anderen, versuchte aber, sich aus dem Streit herauszuhalten. Zwei der anderen Männer – insgesamt waren es vier – standen direkt vor dem Eingang des Restaurants und fluchten und krakeelten und bedrohten sich gegenseitig. Der vierte in der Gruppe, ein sehr großer Mann mit kalten Augen, stand dicht neben den Streithähnen, um notfalls eingreifen zu können, falls es zu Handgreiflichkeiten kommen sollte.
Jouni blieb ein paar Schritte entfernt stehen und beobachtete die kleine, tragikomische Gruppe – der Große mit den kalten Augen war ziemlich gut gekleidet, von den anderen ließ sich das nicht sagen –, während er darüber nachdachte, was er tun sollte. Der Streit verebbte ein wenig, und Jouni sah, dass der große Mann die Hand auf den Türrahmen legte, weil er offenbar fand, dass sie jetzt hineingehen konnten. Da handelte Jouni schnell, ging die fehlenden zehn Meter, suchte den Blick des Langhaarigen und sagte: »Ariel.«
Ariel sah auf, seine Augen schauten erschrocken, und für einige Sekunden wirkte er verwirrt. Jouni hatte das Gefühl, dass sein Freund ihn nicht wiedererkannte. Dann warf Ariel einen kurzen Seitenblick auf den Großen, offenbar der Anführer, und dann verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln: »Jouni! Was zum T-Teufel machst du denn hier!«
Sie gaben sich die Hand, ein kurzer und etwas schüchterner Händedruck, und Jouni antwortete: »Die Umstellung auf den Rechtsverkehr, was sonst?« Er verstummte, sah Ariel an und dachte, dass sein Freund müde und abgemagert aussah: »Aber ehrlich gesagt hatte ich auch vor, nach dir zu suchen.«
Ariel lächelte schief. »Tja, hier bin ich.«
Der Große mit den harten Augen mischte sich ein: »Wer ist der Bursche?«
Die Frage war an Ariel gerichtet, und Ariel sagte: »Das ist Jouni Manner, ein alter Kumpel aus Berghäll.« Er wandte sich Jouni zu und ergänzte: »Und das sind Leuka, K-K-Koikkala …« – er warf einen scheuen Blick auf den Großen – »und der Direktor.«
»Schon gut, Wahl«, sagte der Direktor kurz und hart, »aber für so etwas haben wir jetzt keine Zeit. Wir gehen rein.«
Ariel sah Jouni entschuldigend an. Jouni musterte ein großes Loch am Knie von Ariels Hose und blickte dann zum Restaurantschild hoch: Grigg’s.
»Ich kann jetzt nicht r-reden«, sagte Ariel nervös. Er suchte nach Worten und ergänzte: »Verhandlungen.«
»Wollen wir uns heute Abend treffen?«, schlug Jouni schnell vor, denn Ariel war den anderen schon halb ins Dämmerlicht des Restaurants gefolgt. Jouni wollte Ariel nicht aus den Augen verlieren und fuhr fort: »Ich wohne gleich nebenan, im Carlton.«
»Na ja, ich wohne nicht hier«, sagte Ariel. »Und heute Abend geht es nicht. Aber morgen. Wir k-könnten uns morgen treffen.«
»Kommst du in die Lobby?«, fragte Jouni. »Dann gehen wir was essen und trinken. Um zwölf? Ich fliege mit der Abendmaschine zurück.«
»Zwölf geht nicht«, sagte Ariel. »Lieber um zwei.« Er drehte sich um und wollte offensichtlich ins Restaurant gehen.
Jouni überkamen böse Vorahnungen und rief ihm hinterher: »Warte! Lass mich lieber zu dir kommen! Sag einen Ort, an dem wir uns treffen können.«
Ariel drehte den Kopf und sah ihn an, sein Blick war ausdruckslos.
»Du kannst hier zum Grigg’s k-kommen«, sagte er. »Komm um zwei in die amerikanische Bar.«
* * *
Jouni erschien pünktlich, er hatte aus seinem Hotel ausgecheckt, Koffer und Tonbandgerät standen in der Gepäckaufbewahrung des Carlton. Grigg’s American Bar bestand aus einer langen und goldglänzenden Theke, an der zwei Handelsreisende in braunen Anzügen und eine Dame zweifelhaften Lebenswandels in gebührendem Abstand voneinander verteilt saßen, die beiden Geschäftsmänner nippten an einem Whisky, und die Dame hatte etwas Buntes in ihrem Glas. Weiter hinten gab es einen Roulettetisch und eine Orchesterempore mit Tanzfläche. Ein Plakat versprach »Carlos Romero y Los Hidalgos«, aber da es Nachmittag war, kam die Musik aus einem Radio, das hinter dem Bartender stand: Frank Sinatra sang im Duett mit seiner Tochter Somethin’ Stupid . Während er wartete, trank Jouni eine Cola und rauchte zwei Zigaretten. Als Ariel schließlich auftauchte, war es schon halb drei. Er hatte seinen schwarzen Gitarrenkoffer in der einen und eine hässliche weiße Tüte in der anderen Hand, und die Tüte war voller Kleider. Er trug ein dunkelgrünes T-Shirt, eine verwaschene Jeansjacke und eine dunkelrote Hose, die sowohl ganz als auch sauber zu
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