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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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sicher auch einer Einladung erfreuen können. Nun ja, vorausgesetzt, ich ringe mich zum Weitermachen durch. Diese Feste haben ihren Zweck nicht erfüllt. Manchmal kommt es mir so vor, als würden unsere hellsten Köpfe den Inhalt in meinen kostenlosen Flaschen einem Gedankenaustausch mit mir vorziehen.«
    »Herr Präsident der Republik, es ist natürlich eine große Ehre, dass Sie …«, versuchte Jouni einzuflechten, aber der Präsident unterbrach ihn:
    »Ich war noch nicht fertig, Herr Manner. Sie wissen es vielleicht nicht, aber Männer wie Repo und Kantola halten große Stücke auf Sie. De facto, sehr große. Aber ich wollte mir eine eigene Meinung bilden. Übrigens, wie sehen Sie die Chancen unserer Sportler in großer Höhe? Die Verhältnisse in Mexico sind ja sehr speziell.«
    Der plötzliche Wechsel des Gesprächsthemas überrumpelte Jouni. Er hatte registriert, dass die Olympischen Spiele beginnen würden, interessierte sich aber nicht sonderlich dafür. Außerdem hatte das mexikanische Regime kürzlich mitten in Mexico City Hunderte Menschen niedergeschossen, was die Wettkämpfe noch nebensächlicher machte. Aber der Präsident war ein alter Sportsmann und Sportfunktionär, er fand die Spiele bestimmt wichtig. Jouni zögerte zunächst, sagte dann aber:
    »Die Spiele hätten abgesagt werden müssen. Ein Regime, das seine eigenen Studenten niederschießt …«
    »Ich habe Ihnen eine Frage zum Thema Sport gestellt, nicht zur Politik«, unterbrach ihn der Präsident. Der Ton war beherrscht, aber seine Stimme war nicht ohne Schärfe, als er fortfuhr: »Sie wissen, wie unsere Welt aussieht, Manner. Die olympische Bewegung hat keine Wahl, sie muss über aller Tagespolitik stehen. Sonst wird es überhaupt keine Spiele mehr geben. Nun gut. Man hat mir erzählt, dass es einen Amerikaner gibt, der beim Hochsprung mit dem Rücken zuerst die Latte überquert und damit gute Ergebnisse erzielt. Was halten Sie davon?«
    »Ich weiß nicht, Herr Präsident«, murmelte Jouni kleinlaut. »Ich verstehe nicht viel von Sport. Ich habe gelesen, dass Kuba nicht teilnehmen kann, das ist alles.«
    Der Präsident wirkte missmutig, fing sich aber schnell:
    »Wie finden Sie das Hechthack? Den Fisch habe ich selbst gefangen, draußen auf dem Meer zusammen mit Minister Kosygin.«
    »Es ist vorzüglich, Herr Präsident«, antwortete Jouni.
    »Woher wollen Sie das wissen? Sie haben es doch noch gar nicht probiert«, meinte der Präsident und zeigte mit seinem Messer auf Jounis unangerührtes Schnittchen. Jouni blickte auf seinen Teller und errötete, als er seinen Fehler erkannte. Er war übereifrig geworden, hatte seine Ignoranz durch Schmeicheleien wettmachen wollen.
    »Sie haben also etwas gefangen, Kosygin und Sie?«, fragte er und begriff augenblicklich, wie plump die Frage war. Seine Nervosität ließ ihn einen Schnitzer nach dem anderen machen.
    »Ich fange immer etwas, Herr Manner«, bemerkte der Präsident trocken. »Das gehört zu den Vorzügen meines Amtes. Minister Kosygin hat nicht so viel gefangen. Ich habe vier Hechte herausgezogen und er zwei.« Der Präsident wirkte zufrieden und warf gleichzeitig einen sehnsüchtigen Blick aus dem Fenster, über den Hof und auf den fast spiegelglatten Sund hinaus. Dann ergriff er erneut das Wort: »Ich esse heute Abend daheim, und meine Frau hat auf Leber bestanden. Sie sagt, das sei gesund. Ich persönlich finde, die einzige gute Leber ist die menschliche Leber, denn sie reinigt das Blut, so dass man neue Schnäpse trinken kann. Wenn ich mich am Abend zwingen muss, Leber zu essen, möchte ich am Mittag Fisch speisen.«
    Jouni versuchte, seine Gesichtszüge zu einer Miene zu arrangieren, die als Reaktion auf diesen verblüffenden Kommentar passen könnte. Er spürte, dass es ihm nicht recht gelingen wollte, kam aber nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn der Präsident wechselte erneut das Thema:
    »Ich habe mir Ihre Fernsehsendung ein paar Mal angesehen. Ihre Vorgehensweise ist interessant, aber Sie müssen ein besserer Zuhörer werden. Ein viel besserer.«
    Erneut ließ die Nervosität Jouni irrational reagieren. Diesmal brauste er fast auf, er beherrschte sich nur mit Mühe und antwortete kühl: »Ich werde versuchen, es mir zu merken, Herr Präsident.«
    Der Präsident sah ihn erstaunt an, sein Blick war streng, aber gleichzeitig amüsiert. Der Kellner schenkte mehr Mineralwasser ein, und der Präsident machte sich über sein Schnittchen mit gebeiztem Lachs her. Als er gekaut

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