Geh nicht einsam in die Nacht
Thema ansprach, bekam zur Antwort, diese Beziehung sei ein Irrtum gewesen.
Danach führten Eva und Jinx für ein paar Monate ein ausschweifendes Junggesellinnenleben. Es war Winter, es war dunkel und kalt, und sie feierten wilde Feste und waren fast jede Nacht auf der Rolle. Ich begegnete ihnen gegen Ende dieser Phase. Damals hatte ich kaum noch Kontakt zu Jinx. Wir bewegten uns mittlerweile in unterschiedlichen Kreisen. Manchmal telefonierten wir, aber die Zeiten, in denen wir miteinander schliefen, waren vorbei.
Es war Anfang März, und ich hatte mich von ein paar Freunden zum Ausgehen überreden lassen, obwohl ich eigentlich keine Lust hatte. Ich saß an einem überfüllten Tisch in einem Restaurant, umgeben vor allem von entfernten Bekannten, Riku Bexar und seine Schwester Marina kannte ich zwar ein bisschen besser, aber auch sie standen mir nicht wirklich nahe. Ein schwülstig phrasierender Barpianist spielte The Long And Winding Road und andere Balladen, und ich kämpfte bereits gegen meine Schläfrigkeit an, als ich eine Stimme hörte: »Kapi, mein Freund! Lange nicht gesehen!«
Bevor ich reagieren konnte, hörte ich eine andere Stimme, ein wenig tiefer und in einem etwas frecheren Ton: »Vergiss es, Eva, der gehört mir, ich habe ihn zuerst gesehen.« Es folgte ein glockenhelles, leicht kicherndes, einstimmiges Lachen aus zwei Frauenkehlen. Ich hatte mich in Träumereien verloren und den Blick nach unten gerichtet, und als ich den Kopf drehte, ohne aufzuschauen, sah ich zwei lange Beine in einer ausgeblichenen Jeans: Die Aufschläge verschwanden in einem Paar hochhackiger, weinroter Stiefel. Daneben, eine Armlänge entfernt, befanden sich zwei weitere Beine, genauso schlank, aber kürzer, in einer schwarzen Jeans, an den Füßen klobige schwarze Stiefeletten, ein schwarzer Pulloversaum reichte bis tief über die Oberschenkel und rundete den lässigen Eindruck ab. Ich blickte auf und sah Eva Mansnerus und Jinx Muhrman vor mir stehen und mich anlächeln.
Wir zogen an einen anderen Tisch um, weil an meinem alten kein Platz mehr frei war. Das hätten wir wohl auch sonst getan, denn Jinx hatte ein Jahr zuvor eine kurze Affäre mit Riku Bexar gehabt, die kein glückliches Ende genommen hatte. Die beiden beäugten sich immer noch feindselig. Ich benötigte nur wenige Minuten, um festzustellen, dass Eva Mansnerus ein bisschen betrunken war, während Jinx keinen Tropfen Alkohol trank. Stattdessen bestellte sie eine Tasse Tee.
»Verdammt, was ist denn mit dir los?«, löcherte ich Jinx, weil ich zu schüchtern war, Eva direkt anzusprechen. Immerhin waren einige Jahre vergangen.
Jinx antwortete, ohne zu zwinkern: »Ich glaube, ich bin schwanger.«
»Oho«, sagte ich. »Gratuliere. Und wer ist der Vater?«
Jinx warf mir einen gereizten Blick zu, zuckte mit den Schultern und blieb stumm.
»Willst du mich nicht auch etwas fragen?«, meldete sich Eva fröhlich zu Wort. »Wenn du schon so ein gutes Händchen dafür hast, die richtigen Fragen zu stellen.«
Das Gespräch verlief anfangs tastend, kam dann aber immer besser in Schwung. Mehr als das, es funkte, und die Funken schlugen zwischen Eva Mansnerus und mir. Jinx Muhrman gab sich immer eine raue und freche Fassade, konnte aber nie verbergen, dass sich dahinter ein feinfühliger und sensibler Mensch verbarg. So lief es auch jetzt, denn Jinx merkte schnell, was sich da anbahnte.
»Okay, ich hau dann mal ab«, erklärte sie. »Hier stinkt’s nach Sexualhormonen. Außerdem will ich malen.«
»Liebe dich, Janna«, sagte Eva, als Jinx aufstand und sich nach ihrer grauen Lederjacke streckte. Jinx grinste und warf Eva eine Kusshand zu. Ich war verblüfft. Ich wusste, dass der Taufname von Jinx Janina war, hatte aber noch nie gehört, dass jemand sie anders genannt hätte als Jinx. Janna . Das klang so weiblich, fast süß.
Eva und ich blieben nicht mehr lange in dem Restaurant. Sie erzählte ein bisschen von ihrem Jahr auf Teneriffa und ein bisschen von Göran und Catherine, die langsam alt wurden, und ich erzählte von Leenis und Henrys Scheidung – »nichts Dramatisches, sie haben sich einfach auseinandergelebt« – und von meinen losen Jobs in der Medienbranche. Eva stellte mir eine zerstreute Frage zu Pete Everi, und ich antwortete, dass wir keinen Kontakt mehr hätten. »Geht mir genauso«, erwiderte sie lakonisch, »so läuft das wohl.« Sie erzählte noch nichts von Joaquín und seiner Untreue, und ich sagte nichts von Bedeutung. Ab und zu spürte ich, wie
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