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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Bank und zog sich Geldscheine aus Automaten, die in die Häuserwände montiert wurden: Der Service funktionierte rund um die Uhr, und die Automaten waren überall, man musste es nicht mehr auf die Bank schaffen, bevor sie zumachte. Die Welt und das Leben gingen weiter, was gewesen war, musste man einfach vergessen. Das Telefon klingelte. Es war Klasu Barsk.
    »Grüß dich, Frankki. Hast du gehört, dass Pot-Pesonen tot ist?«
    »Wie bitte, tot?«, stellte ich die Gegenfrage. »Eine Überdosis?«
    »Nee. Normaler Suff. Er war allein auf dem Rosari, hatte ordentlich getankt und ist hinuntergestürzt. Von dem Abhang über der Kekkonen-Schanze.«
    Plötzlich wurde ich furchtbar traurig und musste mich schnell von Barsk verabschieden und den Hörer auflegen. Dann begann ich zu weinen. Ich begriff nicht, warum, ich kannte Pot-Pesonen doch gar nicht, außerdem war er ein unangenehmer Zeitgenosse gewesen.
    Aka Lindberg erzählte mir später, dass er Geh nicht einsam in die Nacht drei Mal in jenem Sommer spielte. Das reichte nicht, um eine Renaissance auszulösen. Aber es wurde mir ein wenig warm ums Herz, das will ich nicht leugnen.

2
    LEENI UND HENRY TRENNTEN sich in dem Herbst, in dem ich mich davongestohlen hatte. Es war, wie ich später erfahren sollte, keine Scheidung der feindseligen oder verzweifelten Art: Wenn sie überhaupt etwas war, dann zerstreut. Keiner der beiden blieb in Tallinge, die Wohnung wurde verkauft. Leeni erwarb eine Zweizimmerwohnung in Mattisbacka und konnte zu Fuß zur Schule gehen. Henry ließ sich auf der Insel Drumsö nieder, allerdings nicht in einem der schicken Reihenhäuser mit Meerblick, sondern in einer anspruchslosen Hochhauswohnung am Drumsövägen.
    Die beiden ließen nicht locker, und als sich die Dinge nach der Scheidung allmählich normalisierten, gab ich ihrem Drängen schließlich nach. Ich weiß nicht mehr, wann und wo ich Leeni zum ersten Mal wieder traf – wahrscheinlich bei ihr zu Hause in Mattisbacka –, aber ich erinnere mich, dass Henry und ich an einem eiskalten und windigen Wintertag in einer Pizzeria verlegen zu Mittag aßen. Henry schenkte mir als verspätetes Weihnachtsgeschenk ein Doppelalbum mit Countryklassikern. Vielleicht versuchte er mir damit zu sagen, dass es auch glückliche Momente gegeben hatte. Ich schenkte ihm nichts.
    Ich schaute abends gelegentlich bei Leeni zum Essen vorbei. Wir sahen uns zwei, drei Mal im Monat, meistens an den Wochenenden. Manchmal beließen wir es bei einem Kaffee am Samstagnachmittag. Ich hatte jedes Mal einen Kater, aber Leeni kaufte immer richtige Sahnetorte oder Himbeerteilchen zum Kaffee, und der Zucker half gegen die Übelkeit. Er war nicht so effektiv wie Pete Everis Ölsardinen auf Knäckebrot, aber fast.
    Henry traf ich nicht so oft wie Leeni. Henry und ich verabredeten uns in Cafés und Restaurants, weil er mich nur ungern nach Drumsö einlud, und wenn ich dort war, begriff ich auch, warum. Henry war nicht besonders häuslich, seine Wohnung war fast genauso unaufgeräumt und schmutzig wie meine. Er und ich gingen immer im alten Motti essen, das einen neuen Namen bekommen hatte und nun Villisika hieß. Wenn uns die Zeit für ein Abendessen fehlte, was oft der Fall war, lud Henry mich mittags in eins der Steakhäuser in den Häuserblocks rund um seinen Arbeitsplatz ein. Einmal – wir wollten ausnahmsweise am Sonntagabend zusammen essen gehen – fragte er mich, ob wir um der alten Zeiten willen nach Tallinge hinausfahren und im Männynlatva ein Wiener Schnitzel essen sollten, aber ich lehnte ab. Es war Herbst und regnete, und der Gedanke, einen schwarzglänzenden Mannerheimvägen und Tavastehusvägen hinabzufahren und Henry I wanna go home, I wanna go home oder Galveston, oh Galveston vor sich hinsingen zu hören, kam mir seltsam vor.
    Anfangs steckte ich natürlich voller Vorwürfe, die dadurch bitterer wurden, dass ich an die Vergangenheit erinnert wurde und über Dinge nachgrübelte, sobald ich Leeni oder Henry traf. Ich stellte mir zum Beispiel die Frage, warum sie es mir überhaupt erzählt hatten, sie hätten doch alles dabei belassen können, wie es war. In den Kirchenbüchern stand ich als Henry Lomans Sohn, und ich mochte zwar der Meinung gewesen sein, dass meine Familie ein wenig seltsam und abweisend war, aber ich hatte niemals Verdacht geschöpft. Mein biologischer Vater war tot, und keiner außer Leeni und Henry schien über den wahren Sachverhalt informiert zu sein. Die Grübeleien halfen meiner Fantasie auf

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