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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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zu sprechen, aber es blieb ein kurzer Dialog. Manner brach das Tabu mit den Worten:
    »Ich möchte mich bei dir noch dafür entschuldigen, dass ich dich den ganzen Herbst über ungerecht behandelt habe. Aber ich ertrage es einfach nicht, so hinters Licht geführt zu werden. Und ich bekam einen Schock. Ich habe versucht, diese Zeiten hinter mir zu lassen. Und als du … tja, ich hoffe, du verstehst.«
    Ich beeilte mich, einen Teil der Verantwortung auf mich zu nehmen.
    »Ich habe mich falsch verhalten. Ich hätte dir einen Brief schreiben und dir erzählen sollen, dass ich Ariels Sohn bin und Familie Mansnerus kenne. Ich hätte dich unter den richtigen Voraussetzungen aufsuchen sollen.«
    »Ich hätte mich wahrscheinlich gedrückt«, bekannte Manner. »Einfach nicht geantwortet oder so. Sie waren wichtig für mich. Beide, Ari und Addi. Ich habe nie wirklich …«
    Er verstummte und senkte hastig den Blick. Ich hatte das Gefühl, dass sich eine Horde von Erinnerungen plötzlich auf ihn gestürzt und ihn übermannt hatte.
    »Adriana bin ich noch begegnet«, sagte ich. »Ich habe mich sogar ein paar Mal mit ihr unterhalten, weil ich damals schon eng mit Eva befreundet war. Aber über Ariel weiß ich so gut wie nichts.« Ich brachte es nicht über mich, ihre Kosenamen zu benutzen, obwohl Manner sie ausgesprochen hatte. Ari und Addi. Das klang so warmherzig, fast niedlich. Aber ich kannte sie doch gar nicht. Sie waren Fremde. Sie waren Tote.
    »Natürlich werden wir über Ari sprechen«, sagte Manner. »Aber kann das vielleicht noch etwas warten? Du hast mit Sicherheit eine Menge Fragen, aber ich fühle mich noch nicht bereit für sie. Außerdem … als ich erfahren hatte, wer du warst, kam mir so vieles in den Sinn. Die alten Zeiten und so. Ehrlich gesagt erinnere ich mich an weitaus weniger, als ich gedacht hätte.«
    »Aber trotzdem an mehr als die Toten«, entgegnete ich.
    Manner zuckte zusammen und wechselte das Thema.
    »Übrigens hast du in Eva Mansnerus eine wirklich gute Freundin.«
    »Wieso?«
    »Sie hat mich letzten Herbst mehrmals angerufen. Sie meinte, so könne ich dich nicht behandeln. Die Dame nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund. Sehr direkt. Addi konnte auch so sein, aber nur manchmal.« Manner lächelte mich an, er hatte sich jetzt wieder im Griff, sein Lächeln war spöttisch. Dann ergänzte er: »Ich habe Eva nicht mehr gesehen, seit sie ein Kind war. Ist sie genauso schön wie ihre Schwester?«
    * * *
    Schon am nächsten Tag rief ich Eva an. Ich hatte eine lange Erklärung dafür vorbereitet, dass ich mich bei ihr meldete, und stand bereit, um sie auf ihren Anrufbeantworter zu sprechen. Zu meinem Erstaunen meldete sie sich jedoch höchstselbst. Ich kam aus dem Konzept.
    »D-Danke«, brachte ich heraus. »Ich wollte mich nur bedanken.«
    »Und wofür?«, erwiderte Eva überrascht. »Wir haben uns doch ewig nicht mehr gesehen.«
    »Manner sagt, dass du ihn im Herbst angerufen und mich in Schutz genommen hast.«
    »Ach so, ihr habt euch wieder vertragen. Ich habe ihm übrigens auch gesagt, dass er dir nichts davon sagen darf. Ihr Männer seid ja solche Klatschtanten!«
    »Pendelst du noch nach Italien?«
    »Doch, schon … manchmal.« Eva klang ein wenig zögerlich, und ich fragte mich warum.
    »Du arbeitest an deiner Abhandlung?«
    »Schon. Aber ich komme nur langsam voran.«
    Dann überraschte sie mich: »Hör mal, können wir uns nicht treffen?«
    Gleich am nächsten Abend gingen wir in ein Lokal. »Nur auf ein paar Gläser«, denn Evas Stipendium war ausgelaufen, und in Erwartung von etwas Besserem arbeitete sie als Aushilfslehrerin in der Mittelstufe: Um acht Uhr war Unterrichtsbeginn. Wir saßen im Parrilla Española am oberen Ende der Eriksgatan, Eva hatte den Treffpunkt ausgewählt. Wir hatten viel Gesprächsstoff, tauschten Anekdoten und Sorgen aus all den Monaten aus, die wir uns nicht gesehen hatten, und so blieb es natürlich nicht bei ein paar Gläsern. Als wir auf die Straße hinaustraten, war es Mitternacht, die Kälte brannte auf unseren Wangen, und für einen Moment blieben wir unentschlossen stehen. Ich wollte nach rechts Richtung Tölö abbiegen, war mir aber nicht sicher, ob ich Eva umarmen oder ihr nur ein »Tschüss« zunicken sollte, wie wir es während der Jahre gehalten hatten, in denen wir Pete Everis Gegenwart wie ein Verbot jeglicher Berührungen empfunden hatten.
    »Komm mit zu mir«, sagte Eva, »ich wohne ganz in der Nähe.« Sie machte auf dem Absatz kehrt, ging die

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