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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Ausland wohnt, aber ich bin mir nicht sicher … wo arbeitest du eigentlich? Warst du nicht bei Aamulehti?«
    »Aamulehti? Das ist doch schon Jahre her. Ich habe lange als freier Journalist gearbeitet, aber jetzt rufe ich aus Uleåborg an, ich hatte hier einen Zeitvertrag, werde aber wieder in den Süden ziehen. Ich habe seit Ewigkeiten nicht mehr in Helsingfors gewohnt, deshalb dachte ich, wir könnten einen trinken gehen, und du erzählst mir, was sich so tut.«
    Es vergingen einige Tage, bis ich Eva das nächste Mal sah – Laine kam übers Wochende zu einem Blitzbesuch ins Heimatland, und sie musste seine Freundin spielen –, aber bei der Gelegenheit erwähnte ich, dass Pete Everi angerufen hatte und wir ein Bier trinken gehen würden. Ich fragte sie nicht, ob sie mitkommen wolle, und glaube auch nicht, dass sie gewollt hätte, denn sie blickte kaum von ihrem Buch auf:
    »Ach wirklich. Grüß ihn von mir!«
    * * *
    Ich machte eine Kneipentour mit Pete, zu der wir uns wenige Tage nach dem Mord an Olof Palme trafen, so dass wir bedrückt waren, Pete sogar noch mehr als ich. Wir aßen Heringe im Sea Horse, stießen im Kosmos zum Gedenken an Palme an, tranken ein paar Gläser im Elite und rundeten den Abend zu später Stunde im Botta ab. Es war ein ortstypisches »Bermuda-Dreieck«, eine Route, auf der schon viele Männer spurlos verschwunden waren, um erst Tage später bärtig, mit rot unterlaufenen Augen und heiserer Stimme wieder aufzutauchen.
    Es blieb jedoch ein gesitteter Abend, Pete schien es nicht auf etwas in dieser Art angelegt zu haben. Bei unserem Essen im Sea Horse und den Drinks im Kosmos hakten wir unzählige Themen ab, alles von Tallinge und Rosari über Kindergartensorgen bis dazu, an welchem Punkt wir in unseren Karrieren standen, aber es lag eine Schicht aus Vorsicht über allem, was wir sagten, als hätten die vielen Jahre der Abwesenheit einen Nebel zwischen uns erzeugt: Man wusste nicht genau, wo der andere stand, und von Zeit zu Zeit musste man behutsam in sein Nebelhorn stoßen, um die Gefahr einer Kollision zu bannen.
    Pete hatte sich verändert. Es kam mir vor, als wäre er viel älter geworden, als hätte er nicht nur zwei, sondern zehn Jahre länger gelebt als ich. Man sah es an seinem Äußeren: Sein Bauch verriet ziemlich viele Gläser Bier, sein Haaransatz war hochgerückt, und es gab einen neuen und sturen Zug um seinen Mund wie bei einem entschlossenen Segler im Gegenwind. Aber man merkte es auch an seinen Worten. Er sprach voller Wärme über seine Frau Anni, die er während des Studiums in Tammerfors kennengelernt hatte, und über seine drei kleinen Kinder. Dennoch gab es bereits Verbitterung in ihm, einen schmollenden, fast altherrenhaften Zug. Er beklagte sich über Kreditzinsen, miserable Honorare und darüber, wie schlecht die Kinderbetreuung in Finnland funktionierte, und schäumte vor Sarkasmus, wenn gewisse erfolgreiche Kollegen zur Sprache kamen. Pete hielt nicht viel von der neuen Zeit mit ihren glänzenden Anzügen und ihrer Geschäftstüchtigkeit. Das wunderte mich nicht, denn ich war mit ihm aufgewachsen und wusste, dass seine linke Weltsicht tief empfunden war. Mich beunruhigte vielmehr, dass er seinen Sinn für Humor und Proportionen verloren hatte. Aber vielleicht hatte ich auch nur ein schlechtes Gewissen. Ich war jünger als Pete und hatte bereits Erfolge feiern dürfen, und es ließ sich nicht leugnen, dass ich mich ziemlich häufig ins Rampenlicht begeben hatte und in einem Stil schrieb, der subjektiv und spielerisch war. Ich hatte alle Artikel Petes in KYVYT gelesen, und seine journalistischen Arbeiten waren anspruchsvoll und solide, aber auch ein bisschen langweilig.
    Als wir im Elite saßen, unterhielten wir uns eine Weile über Eva Mansnerus. Am früheren Abend, als wir über die Zeit auf dem Rosari geredet hatten, war unser Ton kumpelhaft gewesen: alte Besäufnisse, practical jokes und oh scheiße, unter Jattas Bluse tat sich ja echt einiges. Nun sprachen wir nachdenklich über unsere Ausflüge nach Aspholm und die Magie, die wir da draußen erlebt hatten.
    »Weißt du noch, wie wir in der Küche deine Texte durchgesprochen haben?«
    »Natürlich weiß ich das noch«, erwiderte ich. Ich wollte hinzufügen, dass ich diese Momente immer noch zu den schönsten meines Lebens zählten, brachte es aber nicht über mich.
    Pete begann, leise zu singen:
    Just another july evening
Lazy hours of drowsy red
Time, floating like a weary river …
    »Mmm«, sagte ich

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