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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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berühmt werden und Geld verdienen wollten.
    Manner hatte eine neue Freundin an seiner Seite, offenbar war er es leid gewesen, im Metropol Frauen hinterherzujagen, als ich ihm nicht mehr als sein Cicerone behilflich war. Oder ihn hatte die große Aids-Angst übermannt. Das passierte früher oder später den meisten. Er stellte die Frau als »meine Lebensgefährtin Sirpa« vor, sie war genau wie Tuulikki Vennola und Carita eine hübsche und schlanke Brünette. Vennola und Carita waren allerdings im selben Alter wie Manner gewesen, während Sirpa mindestens zehn Jahre jünger zu sein schien.
    Ich schenkte Manner zwei Exemplare meines Buchs, eins in jeder Sprache. In die finnische Ausgabe hatte ich eine umständliche und – wie ich erkannte, als ich kurz davor war, mein Geschenk zu überreichen – reumütige Widmung geschrieben, die fast das gesamte Vorsatzblatt füllte. Manner öffnete das Buch sofort, sah die überschwängliche Widmung, schlug es wieder zu und murmelte: »Das lese ich später.« Anschließend sahen wir uns den ganzen Abend über kaum, denn er wurde von bekannten und unbekannten Menschen umschwärmt, ich selbst kannte dagegen nur sehr wenige Gäste. Gegen Mitternacht, als ich gerade gehen wollte, kam er jedoch zu mir, zog mich ein wenig zur Seite und sagte leise:
    »Ich möchte, dass du wieder für mich schreibst.«
    Er sagte es genau so, »schreib für mich«, nicht »schreib für KYVYT «. Und er fuhr fort: »Wir sollten sicher auch über die alten Geschichten sprechen, einen Schlussstrich unter unsere Missverständnisse ziehen.«
    »Du hast weder meine Anrufe noch meine Briefe beantwortet«, erwiderte ich. »Ich war sehr überrascht, als ich deine Einladung bekam.«
    »Ja, ich habe ein bisschen überreagiert«, sagte er, »aber ich rufe dich in den nächsten Tagen an.«
    * * *
    Eine Woche später trafen wir uns im Restaurant Lehtovaara zum Essen. Wie üblich hatte Manner das Lokal ausgewählt. Er hatte eine Vorliebe für die altehrwürdigen und traditionsreichen Restaurants der Stadt, in denen das Bürgertum seit vielen Jahrzehnten gemeinsame Beschlüsse gefasst und Geschäfte gemacht hatte: Bellevue, König, Lehtovaara, sogar das Savoy.
    Manner wiederholte sein Angebot und erklärte, er wolle Linnusmäki nach wie vor durch mich ersetzen. Ich versuchte hard to get zu spielen und behauptete, mehr Aufträge und Angebote zu haben, als ich momentan annehmen könne, was gelogen war: Mir fehlte es an Jobs. Manners Mundwinkel fuhren zu einem harten Lächeln hoch, das ebenso schnell wieder verschwand, wie es aufgetaucht war. Ich begriff, dass er meinen Bluff durchschaut hatte. Wahrscheinlich hatte er einen genauen Überblick und völlige Kontrolle über die ganze Zeitungslandschaft, sonst hätte es ihm niemals gelingen können, mir im Herbst den Weg zu anderen Blättern zu versperren.
    Es war wie eine Pokerpartie, und nachdem wir ein paar Mal das Blatt des anderen gesehen und sowohl persönliche Arbeitsbedingungen als auch KYVYT s zukünftigen Kurs diskutiert hatten, endete sie damit, dass ich sagte: »Gern. Es ist mir eine Freude zurückzukommen.«
    Wir gaben uns über den Tisch hinweg die Hand. Manner sagte:
    »Auf lange Sicht gibt es natürlich eine gewisse Unsicherheit. Du bist clever, Frank, du hast bestimmt längst kapiert, dass dieser Redakteursposten nur eine Notlösung ist. Ich bin aus dem Rennen gewesen. Aber die Dinge können sich auch wieder ändern. Es ist nicht ausgeschlossen, dass ich in die Politik zurückkehre. Und dann werde ich KYVYT natürlich aufgeben.« Er verstummte, sah mich forschend an und fragte: »Könntest du dir vorstellen, mich bei einer Wahl öffentlich zu unterstützen?«
    Ich wollte diese Frage eigentlich nicht beantworten und wartete viel zu lange mit meiner Antwort, das Schweigen wurde peinlich.
    »Das kommt ganz darauf an«, erklärte ich schließlich. »Es geht ja nicht nur um deine Person, sondern auch darum, für was du dich einsetzt.«
    »Du misstraust mir?« Manner lächelte, als er die Frage stellte, es war ein ironisches, leicht ungläubiges Lächeln. »Warum sollte ich meine Ideale verraten? Sie stammen aus meiner Kindheit, sie sind in meinen Körper eingebrannt.«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich zögernd, »deine Gäste letzten Samstag …«
    Manner lachte auf.
    »Ich verfüge über ein weitverzweigtes Kontaktnetz. Außerdem glaube ich an Freundschaft über ideologische Grenzen hinweg.«
    Wir kamen erst beim Kaffee auf Ariel und unseren abgebrochenen Kontakt

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