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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Helsingin Sanomat und an die Zeitung City, die den Beitrag aber beide dankend ablehnten. Die Redaktionsleiter brachten nachvollziehbare Entschuldigungen vor, die Reportage passe nicht in die thematische Planung für die nächste Zeit und so weiter, aber ich wurde paranoid und fragte mich, wie groß Manners Einfluss war und wie weit er gehen würde.
    Seit Juni hatte ich nicht mehr mit Eva Mansnerus gesprochen, aber jetzt versuchte ich, sie zu erreichen, um ihr zu erzählen, was passiert war. Auch sie ging nicht ans Telefon, und ich hinterließ zahlreiche Nachrichten auf ihrem Anrufbeantworter, aber sie rief mich nie zurück. Stattdessen schrieb ich ihr einen Brief, und offenbar ließ sich Eva ihre Post nachschicken, denn einige Wochen später bekam ich eine Antwort. Der Brief war in Rom eingeworfen worden, und sie schrieb, sie habe ein Stipendium bekommen und studiere jetzt dort.
    Was Jouni Manner betraf – in meinem Brief hatte ich fast alles erzählt und ihr lediglich verschwiegen, wie viele Frauen Manner und ich im Metropol aufgerissen hatten –, schrieb Eva lakonisch: »Ich wusste, dass du es vermasseln würdest.«
    Ansonsten schien sie diesem Arzt den Laufpass gegeben zu haben, denn mittlerweile hatte sie ein Verhältnis mit einem finnischen Botschaftsangestellten, der eine Wohnung in Trastevere hatte. Es wurde deutlich, dass der Mann von der Botschaft genau wie der Mediziner älter war als sie, allerdings nicht, um wie viel älter. Lindy wurde mit keinem Wort erwähnt.
    »Ich pendle im Moment zwischen Helsingfors und Rom«, fuhr der Brief fort, »manchmal verbringe ich kürzere Zeit in der Toskana. Es kristallisiert sich allmählich ein Thema für eine Abhandlung heraus. Früher habe ich mich vor allem für die Hochrenaissance interessiert, aber mitterweile fasziniert mich Caravaggio immer mehr. Ansonsten ist im Moment eigentlich alles so gut, wie es das nur sein kann, meine Lebenssituation ist wirklich ideal.«
    Es versetzte mir den üblichen eifersüchtigen Stich, als ich mich mit Evas pragmatischem Liebesleben und mit ihrer Lebensauffassung konfrontiert sah, leicht und präzise wie einer der ersten Frühlingstage, obwohl sie behauptete, von Caravaggios Clair-obscur fasziniert zu sein. Ich beantwortete ihren Brief nicht, obwohl sie ihre Adresse in Rom beifügte und mich aufforderte, ihr zu schreiben.
    Dieser deprimierende Herbst wurde lediglich von meinem ersten Buch gerettet, einem Band mit Erzählungen, in denen es um orientierungslose Großstadtmenschen ging, die anders waren, als sie zu sein vorgaben. Ich hatte das Buch, »Silhouette«, auf Schwedisch geschrieben, aber es wurde glücklicherweise auch auf Finnisch veröffentlicht. Zu meiner Erleichterung konnte ich feststellen, dass Jouni Manners Tentakel nicht bis in die Kulturszene hineinreichten, denn ich bekam umfangreiche Kritiken in den wichtigsten Tageszeitungen, die trotz mancher Einwände positiv ausfielen. Ich versuchte, mich an die Rolle des Schriftstellers zu gewöhnen, indem ich umherreiste, aus meinem Buch las, Fragen beantwortete und eine Reihe von Interviews gab. Im Dezember kam eine Postkarte: »Ich sehe, dass du in der Presse herumgereicht wirst und jedes Mal das Rad neu erfindest. Trotzdem herzlichen Glückwunsch! Wäre toll, dich mal wieder zu sehen. Dein alter Freund Pete E.«
    Obwohl alles gut aussah, ärgerte ich mich den ganzen Herbst darüber, dass man mich bei KYVYT abserviert hatte und ich meinen Mentor verloren hatte. Doch dann wurde es Januar, und ein neues Jahr begann, und kurz nach dem Dreikönigstag bekam ich eine Einladung zu einer Feier im Restaurant Kaksi Kanaa. Jouni Manner würde dort Anfang Februar seinen vierzigsten Geburtstag feiern.
    * * *
    Über die eigentliche Geburtstagsfeier gibt es nicht viel zu sagen, es war eine überbevölkerte Veranstaltung, die im Laufe des Abends immer unübersichtlicher und chaotischer wurde. Aber es überraschte mich, dass unter den Gratulanten so wenige Heroen der sechziger Jahre waren. Immerhin war Manner damals ein Medienstar und später als sozialdemokratischer Minister für die Kulturpolitik verantwortlich gewesen. Soweit ich wusste, gehörten seine Sympathien nach wie vor der Linken.
    Dagegen waren frappierend viele jüngere Geschäftsleute unter den Gästen, die man an ihren exquisit glänzenden Anzügen erkannte. Außerdem gab es eine Menge Kulturschaffender der neuen Sorte, Maler, Fotografen und Autoren, die sich nicht schämten zu zeigen, dass sie mit dem, was sie machten,

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