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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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Straße hinunter und schien sich so sicher zu sein, dass ich ihr folgen würde, dass sie sich nicht einmal umschaute. Die Richtung verwirrte mich, denn da wir nicht darüber gesprochen hatten, war ich davon ausgegangen, dass sie bei ihren Aufenthalten in Finnland weiterhin in der Jägaregatan wohnte.
    Ich eilte ihr im Laufschritt hinterher, und kurz darauf betraten wir das Treppenhaus eines etwas tiefer gelegenen alten Hochhauses. Die Wohnung lag im vierten Stock, und auf der Tür standen die Namen »Laine/Mansnerus«. Plötzlich fiel mir auf, dass Eva den ganzen Abend kaum etwas über ihren Liebhaber in Rom gesagt hatte, sie hatte ihn nur ein paar Mal beiläufig erwähnt, dabei jedoch eher zerstreut gewirkt.
    Die Wohnung war groß und gut geschnitten und gehörte unübersehbar einem Junggesellen. Falls Eva hier wohnte, scherte sie sich jedenfalls nicht darum, ihr ihren Stempel aufzudrücken, sondern lebte als Gast des mysteriösen Laine. Ich setzte mich an den Küchentisch, während Eva eine Weinflasche öffnete und zwei vorsichtig gefüllte Gläser einschenkte. Das Küchenfenster ging zum Hof hinaus, es hatte angefangen zu schneien, und alle Fenster waren dunkel, aber auf dem Hof stand neben der Einfahrt ein Mann an die Hauswand gelehnt und rauchte. Er trug einen schwarzen Paletot und schien mittleren Alters zu sein. Plötzlich kam mir der Gedanke, dies sei Laine. Ich bekam Angst, versuchte aber, mir nichts anmerken zu lassen.
    »Ist das seine?«, fragte ich und machte eine schweifende Handbewegung, mit der die gesamte Wohnung gemeint sein sollte.
    »Mmmm«, antwortete sie. »Aber im Moment bezahle ich die Miete, er ist seit Weihnachten nicht mehr zu Hause gewesen.«
    »Und, läuft es gut bei euch?«, erkundigte ich mich und hoffte, dass sie etwas anderes antworten würde als Ja.
    »Nicht wirklich«, antwortete Eva. »Er ist so … besitzergreifend geworden. Ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte.«
    Der rauchende Mann in dem schwarzen Paletot stand immer noch draußen und beunruhigte mich mehr und mehr. Ich bildete mir ein, dass er zu unserem Fenster hochschielte und sein Blick hasserfüllt und verzweifelt war.
    »Da steht ein Mann auf dem Hof«, sagte ich.
    »Aha?«, meinte Eva.
    »Ich hab mir gedacht, dass er das vielleicht sein könnte.«
    Eva lachte.
    »Kimmo? Du hast dich nicht verändert, Kapi. Wenn es keine Massenmörder und Aliens sind, dann eben betrogene und mordlüsterne Männer. Kimmo ist in Rom, Ehrenwort. Kurz bevor ich mich mit dir getroffen habe, haben wir noch telefoniert.«
    Ich trank einen Schluck Wein, war aber immer noch nicht beruhigt.
    »Er starrt zu uns herauf«, sagte ich.
    Eva kam zum Fenster und warf einen Blick auf den Mann im Paletot.
    »Es ist bestimmt das einzige Fenster, in dem noch Licht brennt«, meinte sie. Im selben Moment öffnete sich die Tür zu einem Treppenaufgang, und im Türrahmen tauchte eine Frau auf. Der Mann im Paletot warf seine Zigarette fort und folgte der Frau ins Treppenhaus. Seine Zigarette blieb auf der Erde liegen und glühte schwach. Auf dem Küchentisch lag eine Schachtel Belmont, und ich geriet in Versuchung, schüttelte eine Zigarette heraus und zündete sie mir an, obwohl ich eigentlich aufgehört hatte. Eva war irgendwohin verschwunden. Vielleicht ist sie auf der Toilette, dachte ich, bevor ich sah, dass auch ihr Weinglas fort war. Ich rauchte ein paar Lungenzüge und blickte auf den leeren und dunklen Innenhof hinunter.
    »Es ist schon spät, Kapi«, hörte ich Evas Stimme aus einem angrenzenden Zimmer. »Komm ins Bett.«
    Ein paar Sekunden lang schossen mir zahlreiche Fragen durch den Kopf. Meinst du das ernst? Hast du noch alle Tassen im Schrank? Bist du wirklich vollkommen sicher, dass in dieser Nacht niemand durch diese Tür tritt?
    Fragen zu richtig und falsch stellte ich mir dagegen nicht. Und Eva stellte ich überhaupt keine Fragen. Ich drückte die Zigarette aus und tat, was ich immer getan hatte, wenn Eva Mansnerus mich rief: Ich ging zu ihr.
    Ich erwachte spät, es war schon fast zehn und schneite immer noch. Ich setzte Kaffee auf und machte mir belegte Brote, zog Pentti Saarikoskis abgegriffene Gedichtsammlung »Was passiert wirklich« aus Laines Bücherregal, kehrte ins Bett zurück und las. Eva war am Morgen mit wirren Haaren davongeeilt, hatte gemurmelt, dass sie eindeutig zu wenig geschlafen habe, mich jedoch beschworen zu bleiben: Sie müsse nur zwei Stunden unterrichten, sagte sie, den Rest des Tages habe sie frei. Als ich

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