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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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weint.«
    »Du hast Kekkonen gefragt, ob er manchmal weint?«
    »Meinen Aufzeichnungen nach habe ich das getan.«
    Manner stopfte sich den letzten Happen Eierpiroge in den Mund, kaute gierig, trank einen großen Schluck Kaffee, schluckte und sagte:
    »Schluss damit. Er ist tot, und ich lebe, jetzt wird gearbeitet! Ich hole nur schnell meine Unterlagen.«
    Er stand auf und ging mit zielstrebigen Schritten in die Wohnung. Ich blieb auf dem Balkon sitzen und wartete. Als er zurückkam, reichte er mir einen kleinen Zettel, auf dem handschriftlich ein Wort stand: Hagström.
    »Ich habe einen alten Bekannten angerufen und nach Aris Gitarre gefragt. Das ist die Marke.«
    * * *
    Ein paar Wochen später begegnete ich rein zufällig Eva Mansnerus, wir liefen uns buchstäblich in die Arme.
    »Kapi!«, rief Eva und sah so strahlend schön aus, dass ich mich am liebsten umgedreht hätte und weggelaufen wäre. »Was tust du denn hier?«
    »Komme von einer Besprechung«, murmelte ich. »Und du?«
    »Ich wohne hier«, antwortete sie und machte eine Handbewegung in Richtung Elisabetsgatan. »Eine Zweizimmerwohnung an der Ecke da drüben.«
    Es war eine verlegene Begegnung. Wir hatten uns seit dem Vorsommer nicht mehr gesehen und keinen Kontakt mehr gehabt, seit ich ihren wütenden Brief mit einem noch wütenderen beantwortet hatte.
    »Hast du meinen Brief bekommen?«, fragte ich leise.
    »Klar. Danke. Er war wirklich …«
    Eva brach mitten im Satz ab und stand anschließend unschlüssig vor mir. Ich wusste nicht, ob sie nach einem passenden Adjektiv suchte oder sich darauf vorbereitete, auf dem Absatz kehrtzumachen und zu fliehen. Ich hätte ihr keine Vorwürfe gemacht, wenn sie Reißaus genommen hätte, ich fühlte mich genauso unwohl in meiner Haut.
    »… lehrreich, ihn zu lesen«, brachte sie heraus, und ich sah, wie schwer ihr die Worte fielen.
    Wir standen beide mit leicht weggedrehtem Oberkörper, signalisierten jeder Nein und suchten nach passenden Abschiedsworten: Tschüss, auf Wiedersehen, bis bald, alles Gute, mach’s gut, was auch immer, um dieser qualvollen Kühle zu entgehen, diesem meilenweiten Abstand, wo einst Spiel und Vertrauen gewesen waren. Ich hatte bereits Anlauf genommen mit den Worten »Okay, ich muss dann …«, als Eva das Eis brach:
    »Kapi, ich will so nicht weitermachen. Können wir nicht einen Kaffee trinken gehen, hast du Zeit?«
    Wir fanden ein kleines Café in der Kyrkogatan, in dem wir uns eine gute Stunde lang unterhielten. Eva erzählte von ihrer Reise, und ich berichtete von meinen Donnerstagabenden mit Pete Everi. Eva sagte, sie habe eine Aushilfsstelle in einem Privatmuseum, und ich teilte ihr mit, dass ich mit Jouni Manner endlich über Ariel gesprochen hatte. Ich erzählte ihr nicht von meiner Einsamkeit, und Eva erzählte mir auch nicht alles. Unsere Unterhaltung war noch etwas steif, aber ich war erleichtert, dass wir Frieden schlossen, und ich denke, ihr ging es genauso.
    Ich erzählte Eva nicht, dass Jouni mir eine Postkarte von Adriana gezeigt hatte, dafür jedoch recht ausführlich von allem Neuen, was ich über Ariel erfahren hatte. Irgendwann erwähnte ich dabei Ariels E-Gitarre und zog sogar mein Portemonnaie heraus und las von dem Zettel ab, den Jouni mir gegeben hatte:
    »Es war eine Hagström.«
    »War sie schwarz?«, fragte Eva.
    »Ja«, antwortete ich. »Sagt Manner jedenfalls.«
    Eva nickte.
    »Ich bekam hinterher eine Menge von Addis Sachen, Mama und Papa ertrugen es nicht, sie zu sehen. Kleider, ihre Tagebücher und andere Bücher und natürlich eine Menge Krempel, unter anderem auch eine schwarze E-Gitarre. Ich habe nie begriffen, woher sie kam, Addi hatte in ihrer Jugend eine akustische, auf einer elektrischen hat sie nie gespielt.«
    »Er muss sie ihr gegeben haben, als er nach Schweden ging«, meinte ich.
    »Ich habe für ihre Sachen nie genug Platz gehabt«, sagte Eva. »Sie stehen in einer Abstellkammer bei einer reichen Freundin. Aber wenn du möchtest, kann ich die Gitarre für dich holen.«
    »Ich will sie nicht haben«, erwiderte ich desinteressiert. »Ich spiele keine E-Gitarre.«
    Ihre letzten Worte hatte ich kaum noch wahrgenommen, und Eva schien gemerkt zu haben, dass ich in Gedanken ganz woanders war, denn sie sah mich fragend an.
    Ich versuchte, ein neutrales Gesicht zu machen, aber mir schossen wirre Gedanken durch den Kopf. Plötzlich war mir nämlich klar geworden, warum Eva so strahlend schön aussah, strahlender als je zuvor. Jetzt sah ich, dass ihre

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