Geh nicht einsam in die Nacht
Bitterkeit zu kontern.
Die Unterschiede in Lebenshaltung und -bedingungen steckten die Grenzen für unsere wiederbelebte Freundschaft ab: Sie vertiefte sich nie. Trotzdem gab es, vor allem am Anfang, Momente, in denen ich große Lust verspürte, ihm von Ariel zu erzählen. Pete hat als Kind seine Mutter verloren, er weiß, wie es ist, sich verloren zu fühlen, dachte ich. Meine Intuition riet mir jedoch zu schweigen, und ich gehorchte.
Pete und ich entwickelten schnell ein Schema dafür, worüber wir sprachen und wie. Ich fragte nach Veka und den Geschwistern, und Pete erzählte, allerdings ziemlich wortkarg. Anschließend erkundigte sich Pete nach Leeni und Henry, und ich gab das wenige preis, was ich wusste. Henry hatte Arbeit in Schweden gefunden und war im Juni zu Maj-Britt in Norrtälje gezogen, und ich hatte in dieser Phase weder Kontakt zu ihm noch zu Leeni.
»Vermisst du sie nicht?«, fragte Pete manchmal.
»Nein«, antwortete ich stets.
Danach sprachen wir über Petes Kinder und über Kindergartensorgen und Geldmangel, und irgendwann flocht Pete immer eine Frage zu Eva Mansnerus ein. Als hätte sein Unterbewusstes zu ihm gesprochen und gesagt, dass alles anders geworden wäre, wenn er Eva geheiratet hätte. In jenem ersten Sommer und Herbst hatte ich nicht viel von Eva zu erzählen, und auch später weihte ich Pete nicht in unsere Geheimnisse ein, er erfuhr nie, dass Eva und ich uns über die Jahre hinweg aufeinander zu und voneinander fort bewegt hatten. Allerdings konnte ich es mir nicht verkneifen, ihm zu enthüllen, dass Eva und ich ein Jahr nach ihrer Trennung in Svartviken miteinander geschlafen hatten. Ich erinnerte mich damals noch so deutlich an die frühen Jahre, entsann mich, wie unterlegen ich mich auf dem Rosari gefühlt hatte, wo Pete König war. Ich wollte ihn bluten sehen, nicht viel, aber ein bisschen.
Dagegen gab ich großzügig Auskunft über Jouni Manner, was ich später bereuen sollte. Aber ich handelte in gutem Glauben. Es vergingen viele Monate, bis mir dämmerte, dass Petes Fragen zu Manner ein Zeichen für mehr waren als die übliche Neugier auf das Tun und Lassen einer prominenten Persönlichkeit. Und da hatte Pete mich bereits dazu verleitet, ihm alles Mögliche zu erzählen. Er verhielt sich sehr geschickt. Eine Frage hier, eine andere da, manchmal stellte er seine Anschlussfrage erst Wochen nach der ersten. Es war wie aus einem Lehrbuch für Interviewtechnik, Kapitelüberschrift: So täuscht man den Widerwilligen .
* * *
Als an einem Septembertag 1986 Urho Kekkonen beerdigt wurde, war ich bei Jouni Manner.
Tatsächlich begegnete ich auf meinem Weg zu Manner dem Trauerzug. Der morgendliche Sonnenschein war grauen Wolken und Wind gewichen, aber ich hielt dennoch an meinem Plan fest, den ganzen Weg bis Skatudden zu Fuß zurückzulegen. Meine Route kreuzte das Ehrengeleit, so dass ich lange auf dem Bürgersteig stand und es vorbeiziehen sah. Der Trauerzug war einen halben Kilometer lang, die Straßen wurden von schweigenden Menschen gesäumt, die Kirchenglocken dröhnten, ein Eisenerzklang tiefer als der andere, der Himmel war bleigrau, und dann setzte ein Regenschauer ein, der ebenso unvermittelt aufhörte, wie er begonnen hatte.
Als ich mich von der Seeseite aus Manners Haus näherte, waren die Kirchenglocken verstummt, aber Manner stand noch auf seinem Balkon, wo er ihnen gelauscht hatte. Ich hob die Hand zum Gruß, und er sah mich und erwiderte meinen Gruß.
Wir wollten die Winterausgaben von KYVYT planen, unterhielten uns in den ersten Stunden jedoch über anderes. Manners Leben war damals kompliziert. Seine Mutter kämpfte mit großen gesundheitlichen Problemen, und sein Bruder Oskari hatte bei einem Geiseldrama die Befehlsgewalt gehabt, das damit endete, dass sich der Kidnapper mit einer Geisel in die Luft sprengte. Oskari war krankgeschrieben und hatte offenbar angefangen zu trinken. Manner war besorgt, das sah ich. Viel später erfuhr ich zudem, dass Manners Verlobte Sirpa im Spätsommer eine Fehlgeburt erlitten hatte.
Das alles hatte zur Folge, dass er milder und philosophischer gestimmt war als früher, was ich ausnutzte. Manner hatte gesagt, dass er die Vergangenheit für immer hinter sich lassen wolle, war aber nicht so rigide, wie er mir angedroht hatte. Im Laufe des Spätsommers erzählte er mehrmals von der Zeit mit Ariel und Adriana und seinen letzten Begegnungen mit Ariel in den Jahren vor seinem Verschwinden.
Da Manner zu Empfängen im Wohnsitz des
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