Geh nicht einsam in die Nacht
schrieb langweilig, außerdem war er lästig. Ein Nörgler. Ich kenne seinen großen Bruder ja ein bisschen, und es ist viel leichter, mit Juha zu tun zu haben.«
»Was hast du getan?«, fragte ich.
»Nichts. Nur seine Artikel nicht mehr gedruckt.«
»Bist du sicher, dass da nicht noch mehr war?«, beharrte ich und dachte an den Herbst, in dem ich mich mit Manner überworfen und nirgendwo einen Abnehmer für meine Reportage gefunden hatte.
»Ich schwöre es dir«, erwiderte Manner, »ich habe nichts getan. Ich habe wirklich keine Ahnung, warum Pete Everi es so auf mich abgesehen hat.«
Manner überwand seine Enttäuschung auf die für ihn typische Art, er erhöhte sein Lebenstempo. Seine philosophische und nachdenkliche Seite verschwand so schnell, wie sie aufgetaucht war, und er wurde ein noch schlimmerer Workaholic als vorher. Von Anfang an hatte ich gesehen, dass der Posten eines Chefredakteurs für eine Monatsschrift mit einer Auflage von 60000 Exemplaren Manner nicht reichte, aber nun wurde es fast überdeutlich: Er überließ KYVYT mehr oder weniger seinem Stellvertreter Linnusmäki. Stattdessen gehörte er dem Parteivorstand an und wurde Mitglied in zwei Aufsichtsräten, darüber hinaus arbeitete er bei geheimen think-tanks mit und saß in diversen Arbeitsgruppen, die von verschiedenen Ministerien eingesetzt worden waren. Er joggte regelmäßig und besuchte seit neuestem ein Fitnessstudio, weil ihn die fixe Idee umtrieb, sein schwammiges, leicht übergewichtiges Äußeres habe ihn den Sitz im Parlament gekostet. Im Sommer heiratete er seine Sirpa. Da es seine dritte und ihre zweite Ehe war, begnügte man sich mit einer schlichten, bürgerlichen Trauung.
* * *
In den folgenden Jahren bröckelte mein Kontakt zu Manner, da er voll und ganz mit seiner neuen Ehe und neuen alten Karriereträumen beschäftigt war. Auf dem Papier war er nach wie vor Chefredakteur von KYVYT , und ich schrieb immer noch für ihn. Aber Manner verlor das Interesse und ich meine Rolle als Ratgeber. Auch unsere Freundschaft brannte auf Sparflamme.
Ich schrieb für unzählige Zeitungen und Zeitschriften und kam gut, aber nicht glänzend über die Runden. Eines Herbstes veröffentlichte ich einen Roman, Schimmer , der ziemlich schlechte Kritiken erhielt. Er handelte von jungen Menschen, die ihre Ideale für Geld und oberflächlichen Erfolg verrieten. Außerdem schrieb ich einen Einakter, Aufsicht , der in mehreren Theatern aufgeführt wurde. In dem Stück ging es um eine Frau, die in ihrer Jugend einen Fehler macht und danach für den Rest ihres Lebens an diesen Fehler erinnert wird.
Mein Dasein folgte eingefahrenen Mustern. Man merkte es an den klar festgelegten Rollen in meinem Umgang mit Eva, man merkte es an den festgelegten Rollen in meinem Kontakt zu Pete.
Eva war die alleinerziehende Mutter , ich war der ewige Junggeselle oder Peter Pan oder wie man diese Rolle nun nennen wollte.
Pete war der vergrämte Vater , ich war der ewige Junggeselle oder Peter Pan oder wie auch immer man diese Rolle zu nennen beliebte.
Ich hielt Eva und Pete getrennt, kam niemals auf die Idee, ein Treffen zu dritt vorzuschlagen. Das war zwar egoistisch von mir, aber auch eine realistische Einschätzung der Lage. Wenn ich mich mit Pete traf, erkundigte er sich jedes zweite Mal nach Eva, und wäre er nicht so schlau gewesen, hätte er jedes Mal gefragt. Eva fragte nie nach Pete, und wenn ich ihr einmal etwas über ihn und seine Frau und seine vielen Kinder erzählte, wirkte sie vollkommen desinteressiert. Wenn wir uns zu dritt getroffen hätten, wäre Pete furchtbar enttäuscht worden.
Die Freundschaft mit Eva erschien mir oft oberflächlich und zerfahren. Dennoch blieben wir regelmäßig in Kontakt. Wir gingen weiter mit Nadia spazieren, erweiterten jedoch unser Revier und beschränkten uns nicht mehr auf die Tölöviken, sondern gingen zur Edesviken hinunter und am Friedhof vorbei Richtung Lappviken und Nervenheilanstalt, oder wir gingen nach Norden Richtung Mejlans und zur Insel Fölisön hinaus. Es waren warme Jahre, Jahre ohne Winter, weshalb mir die späten achtziger Jahre so in Erinnerung geblieben sind: matschige Fußwege, Pfützen, Nieselregen, die kleine Nadia Mansnerus in ihrem Wagen und dann in ihrem Buggy, die kleine Nadia, die gehen lernt, die kleine Nadia, die ihre ersten Worte spricht und schon bald ihren ersten ganzen Satz, die kleine Nadia, die anfängt, mich Onkel Frank zu nennen.
Seit Eva Nadia hatte, wollte sie manchmal zum
Weitere Kostenlose Bücher