Geh nicht einsam in die Nacht
Leuten wie Hullu-Hurme und Pätkä Suhonen und der berüchtigten Familie Lahtinen gewesen war. Manners Freundschaft mit einem gewissen Ariel Wahl wurde zwar erwähnt, aber die kurze Charakterisierung Ariels beschrieb ihn eher als einen finnlandschwedischen Jungen aus gutem Haus als den Sohn einer Frau mit zweifelhaftem Lebenswandel und eines toten Musikers und Morphinisten. Ariels Kontakte zu Hurme und anderen Kriminellen wurden ebenso verschwiegen wie Manners, dagegen erfuhr der geneigte Leser, dass Manner und Ariel während einiger Jugendjahre zusammen mit einer Frau namens Adriana Mansnerus ein Gesangstrio gebildet hatten. Erwähnt wurde zudem, dass die Gruppe eine Single für die nicht mehr existierende Firma Sonovox aufnahm, die inzwischen als Sammlerstück galt. Von Manners Jahren mit Ariel und Adriana handelten allerdings nur wenige, oberflächliche Seiten, und man gewann nie den Eindruck, dass sie wichtige Menschen in seinem Leben waren.
Die Biographie hatte unzählige Mängel. Die distanzierte Beziehung zwischen Manner und seinem Bruder, dem Polizisten, wurde nicht problematisiert, sondern idyllisierend dargestellt. Die alte Talkshow Poparena! wurde als Publikumserfolg und nicht als das Fiasko beschrieben, das sie damals war. In den einzigen ansatzweise ehrlichen Kapiteln ging es um Manner und die Frauen. Manner hatte sich ein paar Jahre zuvor von Sirpa scheiden lassen – sie hatte sich geweigert, nach Brüssel zu ziehen, was der angeschlagenen Ehe der beiden den Todesstoß versetzt hatte –, und Linnusmäki machte keinen Hehl daraus, dass der Bote aus den Arbeitervierteln dazu neigte, sich als das Geschenk Berghälls an die Frauen zu betrachten. Manner war, schrieb der Biograph in putziger Formulierung, in dem Sinne treu, dass man immer fest mit seiner Untreue rechnen könne.
Der größte Makel der Biographie bestand jedoch darin, dass man nie den wirklichen, komplexen Jouni Manner kennenlernte. Der kühle und knallharte Zug seiner Persönlichkeit, der seine Großzügigkeit und sein Gefühl für Kameradschaft noch deutlicher hervortreten ließ, war ausradiert worden. Dabei waren es gerade die inneren Widersprüche in Manners Charakter, die ihn zu der charismatischen Persönlichkeit machten, die er war. Es gab eine ungeheure Energie und Intensität in ihm, er war fast schon besessen, und diese Besessenheit hatte mich vom ersten Augenblick an fasziniert. Vielleicht war sie sogar etwas, was uns einmal gemeinsam gewesen war. Ich war selbst anfangs von dem Gedanken besessen gewesen, aufzusteigen und Ruhm und Aufmerksamkeit zu bekommen, und vielleicht hatte Manner in mir sein eigenes, verjüngtes Spiegelbild gesehen und mir deshalb so viel gegeben. Es muss ihn enttäuscht haben, als meine Ambitionen noch vor meinem dreißigsten Geburtstag erloschen oder vielmehr in Alkohol ertränkt wurden.
Während Manners Jahren in Brüssel hielten wir eher sporadisch Kontakt. Ich hatte ihn ein paar Mal besucht, als ich zu Reportagereisen in Mitteleuropa unterwegs war. Einmal war ich im Frühjahr dort, und Manner führte mich durch das labyrinthische Parlamentsgebäude, ich wurde seinem Assistenten vorgestellt, und wir aßen gemeinsam in einem Gartenlokal in den EU -Vierteln. Mir fiel auf, wie viele Leute Manner kannte, wie locker er sie grüßte und wie gut sein Französisch war. Als ich seine Sprachkenntnisse lobte, lächelte er und meinte, er sei den Steuerzahlern zu Dank verpflichtet, denn der Staat habe zu Beginn seiner Zeit in Brüssel mehrere Sprachkurse finanziert. »Aber das war gut investiertes Geld«, ergänzte er, »denn ich war ein wirklich motivierter Schüler. Als ich jung war, habe ich mich mit meinem Französisch einmal blamiert, es ist ein gutes Gefühl, die Sprache heute richtig zu beherrschen.«
Meinen zweiten Besuch stattete ich ihm im Dezember ab, nur eine gute Woche vor Weihnachten. Wir aßen in einem Luxusrestaurant nahe des Grand Place, Manner zahlte. Dagegen lud er mich auch diesmal nicht in seine Wohnung ein, und ich weiß noch, dass mich das ein wenig wunderte, denn seine Bereitwilligkeit, Freunde zu Hause zu empfangen und bei sich übernachten zu lassen, war legendär.
Ich weiß noch, dass ich Der Bote aus den Arbeitervierteln an einem grauverhangenen Sonntag im März auslas, als das Buch gerade erschienen war. Ich konnte nicht an mich halten und wählte sofort Manners Handynummer. Ich musste es mehrmals versuchen, bis er sich meldete, es war schon Abend, und ich hörte Stimmen im
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