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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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freundlich oder mit Interesse behandelt, im Gegenteil, er hatte sich den beiden gegenüber ausgesprochen arrogant gegeben.
    Jouni und Ariel trafen sich ein paar Stunden vor Beginn der Party in ihrem Probenraum. Es war Ariels Idee gewesen, und sie hatten darüber gesprochen, ein bisschen zu spielen und zu singen, ihr Repertoire aufzufrischen. Stillschweigend beabsichtigten sie jedoch, ihre Nervosität vor dieser Party mit Alkohol zu bekämpfen, von der sie ahnten, dass sie in besseren Kreisen stattfinden würde. Beide hatten Flaschen dabei, Ariel sowohl Wodka als auch Branntwein, Jouni zwei Flaschen algerischen Rotwein. Jouni nahm an, dass Ariel auch noch anderes dabeihatte, und hatte sich geschworen, falls Ariel etwas herausholen sollte, würde er ihm gehörig die Meinung sagen und seinen Freund bitten, sofort mit diesem Mist aufzuhören. Adriana hatte nicht kommen können, sie müsse noch etwas erledigen, hatte sie gesagt, aber Jouni ging davon aus, dass sie mit Stenka Waenerberg zusammen war, wahrscheinlich lag sie in seinem Bett. Es waren zwei märchenhafte Sommerwochen gewesen, und die Hitzewelle wollte nicht enden. Obwohl das Sonnenlicht nur als Widerspiegelung von den Fenstern auf der anderen Straßenseite in den kleinen Kellerraum hinabreichte, war es darin stickig und heiß. Jouni und Ariel spielten und sangen ein bisschen halbherzig – zunächst House of the rising sun , dann auf Finnisch Jo riitää , die finnische Version von The last time und danach I am a rock –, während sie Schlucke aus ihren Flaschen nahmen. Ihre Zigaretten schwelten die meiste Zeit im Aschenbecher, aber Ariel zog nichts anderes heraus, traute sich vielleicht nicht. Von Zeit zu Zeit warf er schiefe, scheue Blicke auf Jouni, die diesem nicht entgingen, es waren Blicke, die zu sagen schienen: Ich warte, bis du mich nicht siehst.
    Sie probten Geh nicht einsam in die Nacht , stellten jedoch fest, dass es ohne Adriana dünn und seelenlos klang. Ariel sang ein neugeschriebenes Lied, und sie verbrachten einige Zeit damit, eine zweite Stimme dafür zu suchen, aber dann meinte Ariel, der Song sei noch nicht fertig. Jouni hatte das Mittelstück wiedererkannt, es war die Melodie, die Ariel auf ihrer nächtlichen Heimfahrt nach dem schlechten Auftritt in Lojo gesummt hatte.
    »Mann, ist das heiß«, sagte Jouni, trank einen Schluck Wein, riss ein Streichholz an und zündete sich eine weitere Zigarette an. Wegen der Hitze hatte er sein T-Shirt ausgezogen, und Ariel war seinem Beispiel gefolgt, er hatte sein oranges Hemd ausgezogen, und Jouni verblüffte es wieder einmal, wie furchtbar mager sein Freund war. Und wie üblich bleich, so bleich wie ein Gespenst. Wahrscheinlich hatte er den ganzen Sommer über in seiner Bude gesessen und Gitarre gespielt. Jouni fragte sich mal wieder, wie Ariel an Geld kam, seit die Gangster in Rödbergen ihm keine kleinen Aufträge mehr gaben.
    »Mhm … heiß. Sicher.« Ariel klang um Anwesenheit bemüht, aber dennoch wolkig zerstreut. So klang er immer, wenn er allmählich betrunken wurde, und Jouni versuchte, für etwas bessere Stimmung zu sorgen.
    »Wird es nicht langsam Zeit, das Ding da mal zu waschen?«, fragte er und zeigte auf das orangene Hemd, das in einem unförmigen Haufen auf dem schmutzigen Fußboden lag.
    »Ich habe es gewaschen«, murrte Ariel. »Besser gesagt, Addi, zwei Mal«, berichtigte er sich.
    Ariels Blick war schon getrübt, und Jouni beschloss, den Stier bei den Hörnern zu packen und zu reden, ehe es dafür zu spät sein würde.
    »Ich glaube, wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen, Ari«, sagte er. »Es ist nicht so gut gelaufen mit unserer Single.«
    Ariel blickte auf. Jouni sah, dass er schluckte, sein Adamsapfel hüpfte.
    »Ich habe neue L-Lieder«, sagte Ariel leise. »Viele.«
    »Das ist gut«, beeilte Jouni sich zu sagen, »mir ist nicht entgangen, dass du deine schöpferische Ader gefunden hast. Aber …«
    »M-Manche von ihnen sind b-besser als Geh nicht «, unterbrach Ariel ihn, und sein Gesicht verzerrte sich, als er gegen das Stottern ankämpfte, das ihm in die Quere kam. »Beim n-nächsten Mal …«
    »Ari«, sagte Jouni, »ich bin mir nicht so sicher, dass es ein nächstes Mal geben wird. Zumindest nicht für mich. Ich habe mir überlegt … ich glaube, ich will auf etwas anderes setzen. Das Studium … im Frühjahr bin ich an der Uni zu nichts gekommen. Außerdem habe ich einen guten Job angeboten bekommen und …«
    »W-Wo denn?«, erkundigte sich Ariel. Jouni war sofort

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