Geh nicht einsam in die Nacht
einzige Unterschied.
Man läuft überall herum und landet am Ende doch wieder hier, dachte Jouni. Er hatte hier draußen als Bauarbeiter malocht. Einen guten Monat, vor einem knappen Jahr, als er Heimaturlaub von der Armee hatte und noch nicht für die Prüfungen pauken musste. Heute trug er ein schweres Nagra-Tonband über der Schulter, machte mit erhobenem Mikrofon die Runde und interviewte Würdenträger, und in seinem Portemonnaie hatte er Geld fürs Taxi und einen Lichtbildausweis, der ihm bescheinigte, dass er für den Rundfunk arbeitete. Es war sein dritter Auftrag: Begonnen hatte er mit einer anspruchslosen Geschichte über Helsingfors als Touristenstadt, der ein gewichtigerer Beitrag über den Unfalltod auf finnischen Landstraßen folgte. In diesem Jahr arbeitete sein kleiner Bruder Oskari auf dem Bau – ironischerweise draußen in Tallinge –, während er auf den Wehrdienst und danach auf die Aufnahmeprüfung zur Polizeiakademie wartete.
Nur einen Katzensprung hinter den neuen Häusern hingen einige knochentrockene Heuhaufen auf rissigen Holzstangen. Etwas weiter entfernt weideten drei Kühe, zwei braune und eine schwarzweiße. Die Felder und Wiesen waren noch da, aber für wie lange noch? Und wohin sollten die Bauern dann? Sollten sie noch weiter nach Osten abwandern? Jouni ging näher heran, um zu hören, was Oberbürgermeister Aho in seiner Festrede sagte: das übliche Wischiwaschi. Es gab Gerüchte, nach denen die bürgerlichen und sozialdemokratischen Gründerfirmen die gesamte Hauptstadtregion unter sich aufgeteilt hatten, aber dafür ließen sich unmöglich Beweise finden, das spielte sich alles in einem inneren Zirkel ab, dessen Mitglieder einander treu und loyal verbunden waren. Jouni sah etwas abseits, fast am Feldrand, als würden sie sich schämen, einige Bauern stehen. Sie waren schlecht gekleidet, vielleicht war das der Grund. Einer von ihnen, ein älterer Mann in einem knittrigen braunen Jackett und mit einer karierten Schirmmütze auf dem Kopf, kam ihm bekannt vor. War er vielleicht einer der Alten, mit denen er ein paar Worte gewechselt hatte, als er zehn war und seine Kameraden und er hier hinausgeradelt waren? Wo ist denn meine große, buschige Möse? Die Worte tauchten unvermittelt in Jounis Gehirn auf, sie drängten sich ihm auf. Er lächelte über die Erinnerung, musste dann aber an Terhi denken und schämte sich, aber nur kurz.
Als er ins Stadtzentrum zurückkehrte, stand der Verkehr auf dem Hagnäs torg und der Långa-Brücke, und er geriet in Zeitnot. Er parkte den Wagen in der Nähe des Observatoriumparks, eilte im Laufschritt zum Kaserntorget und nahm die Treppen mit Riesensätzen. In der Redaktion warf er Tonbandgerät, Mikrofon und Notizbuch auf seinen Schreibtisch: Der Beitrag musste erst am Wochenende fertig sein. Anschließend ging er auf die Toilette und zog das Nylonhemd und den gebrauchten Anzug an, den Elina geändert hatte, damit er ihm passte. Nervös wühlte er in der Manteltasche und zog die Krawatte heraus, die er in der Mittagspause bei Kuusinen gekauft hatte, ein Kollege hatte sie für ihn im Voraus gebunden.
Als Jouni die Norra Magasingatan hinunterlief, war es schon zehn nach sechs. Ein Bus aus den Vorstädten spuckte seine Ladung aus, und die Menschen verteilten sich in alle Richtungen. Am Finnish Design Center stand eine Frau mit Hut und wartete auf jemanden, vor der Nylands-Studentenvereinigung standen einige Studenten, unterhielten sich und rauchten. Als Jouni weiter Richtung Esplanade ging, meinte er zu hören, dass jemand seinen Namen rief. Er drehte sich um, konnte aber niemanden entdecken, den er kannte.
An der Skulptur der drei Schmiede sprang er in die Straßenbahn. Der Wagen war überfüllt, er stand gegen die Kabine der Schaffnerin gepresst und schielte im Vorbeifahren auf den Brunnsgården hinaus: Auf dem kleinen Platz trieben sich immer mehr Langhaarige herum, auch an diesem Abend lehnten sie an den Häuserwänden. Auch Jouni hatte relativ lange Haare, aber er war von einem anderen Schlag, sagte er sich selbst, er war jemand, der ernsthaft kämpfte, diese Mods suchte dagegen nur den Weg des geringsten Widerstands.
An der Messehalle stieg er aus. Mittlerweile nieselte es, und als er an der von einem Feuer beschädigten Halle vorüberging und auf die Ruinen der Zuckerfabrik zuging, hatte er das Gefühl, durch eine erst kürzlich vom Krieg verwüstete Stadt zu gehen. Die Messehalle hatte im Juni gebrannt, aber ihre Sanierung hatte nicht einmal
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