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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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brauchte den Gegner nur kommen zu lassen, nur auf den Augenblick der Nervosität zu warten, auf die kleinen Fehler und nachfolgenden Zugeständnisse. Dann setzte man binnen kürzester Zeit seinen Willen durch. Anschließend musste man nur noch weitermachen und möglichst dafür sorgen, dass der Besiegte zu einem Verbündeten oder besser noch Untergebenen wurde, und nicht etwa zu einem erbitterten Feind im Verborgenen. Immer gelang dies jedoch nicht: Einer von Jounis älteren Kollegen in der Redaktion, ein vierunddreißigjähriger, bierernster Magister der Politikwissenschaften namens Tuomas Koskelo-Kajander war in seiner Art ebenso verbindlich, wie Jouni unberechenbar war, so zurückhaltend wie Jouni streitsüchtig, so sachorientiert wie Jouni kreativ. Jouni und Koskelo-Kajander stammten beide aus einfachen Verhältnissen und waren Nachfahren von Rotgardisten. Man hätte meinen sollen, dass sie dies trotz aller Charakterunterschiede zusammenschweißen würde. Aber weit gefehlt. Der schüchterne Koskelo-Kajander war völlig unfähig, der Offensive dieses Grünschnabels etwas entgegenzusetzen, und so musste sich der ältere Kollege schon bald mit Routineaufträgen und Lappalien zufriedengeben, während Jouni alles für sich beanspruchte, was gehaltvoll und spannend war, vor allem die Beiträge, in denen es um die gerechte und junge Gesellschaft ging, wie sie die neuen Linken mit ihren Reformen verwirklichen wollten. Und Koskelo-Kajander rächte sich, indem er Jouni allerorts und bei jeder Gelegenheit verleumdete.
    Es lässt sich nicht leugnen: Bei diesem schnellen Erfolg spielte auch das Aussehen eine wichtige Rolle. Das aufgequollen Welpenhafte, das es in Jouni noch gegeben hatte, als er sein Kindheitsviertel verließ, war längst verschwunden. Seine dichten und gewellten Haare, einst mittels Pomade und anderem Fett in Form gebracht, waren seither dunkler, fast schwarz geworden. Seine Gesichtszüge waren markant, geradezu scharf geschnitten, aber diese Schärfe wurde dadurch aufgelockert, dass Jouni seine Haare recht lang werden ließ: Er achtete allerdings darauf, dass sie nie so lang und ungepflegt wurden wie bei den Mods. Jouni war großgewachsen und kräftig gewesen, seit er vierzehn war, aber nun war er nicht mehr kräftig auf die stabile Art eines Ringers, sondern eher schlank. Elina pflegte zu sagen, dieses Dunkle und Exotische habe er von Sulo. Ein Teufelskerl von einem Mann sei Sulo gewesen, und dabei sei er nicht einmal so dunkelhaarig gewesen wie Jouni, sondern habe eher braune Haare gehabt wie der kleine Oskari, aber er sei nichtsdestotrotz ein gut aussehender Mann gewesen. Bestimmt habe irgendein verirrter Wallone oder Zigeuner eine offene Ackerfurche gefunden und seinen Wildhafer auf dem Mannerschen Acker ausgesät, erklärte Elina gelegentlich, dies sehe man auch bei Anneli, der Tante der Jungen, und ihren genauso schwarzhaarigen Töchtern, vor allem bei Irja. Wenn Elina doch nur gewusst hätte, dass die weiblichen Angestellten, angefangen bei den wenigen Redakteurinnen über die Chefsekretärinnen bis hin zum Küchenpersonal Jouni insgeheim den Beinamen »der Italiener« gegeben hatten. Das wusste nicht einmal Jouni, dagegen merkte er durchaus, dass ihm die Frauen zugetan waren. Manchmal fand er es nicht ganz einfach, Terhi treu zu bleiben, Terhi, die in die kleine Zweizimmerwohnung in Tallinge eingezogen war und manchmal ihre Querflöte und ihre Slips und ihr Pessar auf dem Fußboden neben dem Bett herumliegen ließ, was Jouni nervte. Trotzdem zog er niemals ernstlich in Erwägung, sie zu betrügen, und das, obwohl er allmählich begriff, dass es ihm ebenso leichtfiel, das Interesse der Frauen zu wecken, wie die Angst der Männer. Er war recht zufrieden mit seinem Leben. Bis ihn der persönliche Assistent von Mademoiselle Françoise anrief und ihm mitteilte, Mademoiselle wünsche mit ihm zu speisen.
    Als Mademoiselle Françoises Assistent, ein affektiert lispelnder Brite namens Eaton-Jones, ihn anrief, war es bereits Februar, und Jouni stand beim Rundfunk kurz vor einem größeren Durchbruch. Er wusste davon, jedenfalls halbwegs. Er wusste, dass er bei Kantola und Friberg, seinen direkten Vorgesetzten, hoch im Kurs stand, und er wusste, dass die Fernsehabteilung begehrliche Blicke auf ihn warf. Er hatte bereits kurze Beiträge für die Fernsehnachrichten gemacht – probehalber, hatte man ihm gesagt – und Probeaufnahmen in einem Studio mit angeblichen Studiogästen absolviert: die »Gäste« waren

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