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Geh nicht einsam in die Nacht

Geh nicht einsam in die Nacht

Titel: Geh nicht einsam in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Westoe
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hatte. Und ich hab dich ja auf deiner Klampfe spielen hören …«
    Virta verstummte, sah weg, schien auf einen Fleck in der Dunkelheit zu stieren. Ariel kam es vor, als sei der ältere Mann verlegen.
    »Er starb bei einem U-U-Unfall«, sagte Ariel, »das ist das Einzige, was meine Mutter mir erzählt hat. Hast du ihn g-gut gek-kannt?«
    Virta wandte sich ihm wieder zu und sah Ariel in die Augen. »Sicher haben wir uns gekannt. Aber nicht besonders gut. Ich kam nicht mehr dazu, ihn näher kennen zu lernen. Aber ich sah, dass er ein guter Musiker war und früher einmal ein guter Mann gewesen war.«
    Virta merkte, dass Ariel mehr hören wollte, seufzte, schraubte die Flasche wieder auf, trank einen Schluck und fuhr fort:
    »Lennu war schon fertig, als er herüberkam, und das Leben an Slussen war auch damals schon hart. Wer schwach war, hat es dort nie geschafft. Es ist seltsam, so etwas zu sagen, aber wenn man mit Abschaum zusammen ist, muss man stark sein, um zu überleben.«
    »Ja, aber«, versuchte Ariel einzuwenden, »ein A-Autounfall ist doch nur Pech. Das kann doch jedem passieren, das hat doch nichts mit st-st-stark oder schwach zu tun.«
    »Lennu ist nicht bei einem Autounfall gestorben, mein Junge«, sagte Virta. »Er wurde ermordet. Oder erschlagen, wie man’s nimmt. Es ging bergab mit ihm, und er suchte Trost bei der Frau eines anderen Mannes.«
    Ariel sagte nichts, er war zur Salzsäule erstarrt, Virta hielt die Schaukel alleine in Bewegung.
    »Er hatte sich die falsche Braut ausgesucht«, fuhr Virta fort und sah Ariel verstohlen an. »Marjo war mit Aufschlitzer-Mannila zusammen gewesen. Und Mannila wurde damals gerade auf freien Fuß gesetzt, nachdem er ein paar Monate wegen Diebstahls abgesessen hatte. Mannila war nicht der Typ, der tatenlos zusah, wenn andere … außerdem zog er schnell mal sein Messer, das sagt ja schon sein Name.« Virta verstummte, sah Ariel an und sagte: »Ich glaube nicht, dass ich mehr sagen will. Lennu ruhe in Frieden. Genau wie Mannila, der ist auch schon tot und begraben.«
    Virta leerte weiter seine kleine Flasche und trank sogar schneller, denn es schien ihn gequält zu haben, Ariel diese Dinge zu enthüllen. Ariel blieb noch eine Weile wie betäubt in der Schaukel sitzen. Seine Maiskolbenpfeife war längst erloschen, und im Grunde wollte er nur schlafen. Aber er traute sich nicht ins Haus, denn er hörte Hurme und Leuka wütend grölen, und außerdem nagte die Angst in ihm, plötzlich war sie zu neuem Leben erweckt worden und so bohrend wie früher. Es war die Angst all dieser Nächte als kleiner Junge, der vielen Male, die er sich in einem Bogen schräg nach hinten gelehnt und aus dem Fenster der Kochnische geschaut hatte, zu dem kalten Mond und den Wolken hinauf, die in Fetzen gerissen wurden, als sie über den Himmel irrten. Es war die Angst aus all den dunklen und kalten Abenden, an denen er an der Straßenecke gestanden und Schnaps vertickt und sich davor gefürchtet hatte, was im nächsten Moment passieren würde. Es war die Angst von jenem Frühlingsabend, an dem er nach dem Hendrix-Konzert nach Hause gegangen war und an das Leben gedacht hatte, das er als Anhang von Lydia und Björk führte, es war die Angst aus jenem Augenblick, in dem er in der Telefonzelle gestanden und sich darauf vorbereitet hatte, Adriana die Impala zu bringen. Es war eine Angst, die Ariel kannte wie seine eigene Westentasche, ein alte Gefährtin, die er mit unzähligen Schnaps- und Haschräuschen und damit betäubt hatte, sich immer wieder Songs wie The Kids Are Alright und I’m Not Like Everybody Else und She’s Leaving Home anzuhören. Doch nun war sie wieder da. Er sah ein altmodisches schwarzes Fahrrad an die Innenseite der niedrigen Steinmauer gelehnt stehen und bekam plötzlich Lust, sich daraufzusetzen und einfach wegzufahren. Fort. Fort. Ganz gleich, wohin, nur fort. Und ehe Virta ihn daran hindern konnte, hatte er es auch schon getan: das Fahrrad genommen, es durch das Tor auf die nächtlich dunkle Landstraße geschoben, den Dynamo gegen den Vorderreifen geklappt, damit die rostige Vorderlampe leuchtete, sich auf den Sattel geschwungen und war losgefahren. Die Lampe funktionierte und spendete zumindest so viel Licht, dass er sich auf der Straße würde halten können, solange er nicht zu schnell fuhr. Er hörte Virta, der ihm verblüfft hinterherrief, ignorierte ihn jedoch und trat weiter in die Pedale. Virtas Rufe ertönten anfangs immer ferner und verstummten dann völlig. Es

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