Geheimauftrag: Liebe
Spaltbreit offen; sie hörte, wie seine Schritte auf dem Flur verhallten und wie er mit den wartenden Männern sprach, konnte jedoch seine Worte nicht verstehen. Einen Augenblick später war schon das Geklapper sich eilig entfernender Hufe zu vernehmen – die Suche hatte begonnen.
Sie schaute zu Nicholas, sah, wie er die Stirn runzelte und zu ihr kam.
»Warten die Essington-Damen hier?«
»Ja. Sie sind im Empfangssalon. Ich werde das Dinner in einer Stunde servieren lassen.«
»Dinner?« Er wirkte angeekelt.
Sie schnitt eine Grimasse. »Wir müssen trotzdem essen.«
Er schwieg kurz, dann sagte er: »Ich verstehe Lostwithiel einfach nicht.« Die Worte, leise gesprochen, klangen erbittert. Nicholas sah ihr flüchtig in die Augen, dann blickte er weg. »Er mag mich nicht – er misstraut mir, verdächtigt mich, aber trotzdem …«
Er richtete seinen Blick wieder auf ihr Gesicht. »Jemand hat neulich versucht, dir etwas anzutun, und ja, mir ist bewusst, dass allem Anschein nach ich es gewesen sein könnte. Trotzdem lässt er dich mit mir hier zurück.«
Penny erwiderte seinen Blick. »Ja, genau. Und zu überlegen, warum er das tut, wäre sicher keine schlechte Idee.«
Mit dieser Bemerkung ging sie zum Salon voraus.
Die Nachrichten, die schließlich eintrafen, waren nicht gut. Es herrschte bereits Dunkelheit, als Geräusche die Heimkehr der Suchtrupps ankündigten. Penny wusste bereits, was sie erwartete, als sie die Pferde langsam, statt in flottem Trab näher kommen hörte.
Sekundenlang schloss sie die Augen, schaute dann Millie und Julia an, die ebenfalls beide die Zeichen deuten konnten.
»O je«, flüsterte Millie und hob eine Hand an den Hals.
Penny wechselte einen Blick mit Julia, erhob sich. »Es ist wohl besser, wenn ihr beide hierbleibt – es besteht keine Notwendigkeit, dass ihr euch das antut …«
Sie drehte sich um und ging zur Tür. Nicholas war ebenfalls aufgestanden, folgte ihr. Als sie die Tür erreichten, schloss er seine Hand um die Klinke, sah sie an. »Du musst es dir ebenfalls nicht antun.«
Sie erwiderte seinen Blick ruhig, entschlossen. »Ich bin praktisch in den letzten Jahren hier die Hausherrin gewesen. Ich habe Mary eingestellt. Daher muss ich mich auch jetzt um sie kümmern.«
Weder Charles noch David waren über ihre Entscheidung glücklich, aber als sie zu ihnen in den kühlen Lagerraum trat, in den sie den leblosen Körper gebracht hatten, versuchte niemand, sie wegzuschicken.
Jemand hatte eine Lampe angezündet, an der Tür abgestellt. Nur schwaches Licht erreichte den Tisch, auf dem Marys Leichnam lag. Trotzdem war es nicht schwer, die Würgemale um ihren weißen Hals, die vorquellenden Augen und die heraushängende Zunge zu sehen. Penny blieb auf der Schwelle stehen und schaute zu dem toten Dienstmädchen. Dann kam Mrs. Figgs und drückte ihr den Arm, ging an ihr vorbei zum Tisch, ordnete die zerknitterten Röcke. Sie räusperte sich, fragte: »Wurde sie … Weiß man, ob …?«
»Nein.« Es war Charles, der antwortete. »Sie wurde erwürgt, sonst nichts.«
Die Haushälterin nickte. »Danke, Mylord. Wenn es recht ist, fangen Emma und ich gleich an, sie zurechtzumachen.«
»Danke, Mrs. Figgs«, murmelte Penny. Die beiden waren die ältesten Frauen im Haushalt, und so fielen ihnen bestimmte Aufgaben üblicherweise zu.
Charles trat zu ihr; sie spürte seine Hand an ihrem Ellenbogen,
seine Stärke und Kraft und war dankbar dafür. Er brachte sie nach draußen auf den Hof hinter der Küche. David und Nicholas folgten ihr.
Sie blieben alle stehen und atmeten tief durch.
»Wo habt ihr sie gefunden?«, fragte Penny.
»Im Wald diesseits von Connells Hof.« David schüttelte den Kopf. »Überhaupt nicht weit von hier. Wir waren schon auf dem Rückweg, als wir sie entdeckten.« Er erschauerte. »Der Schurke hatte sie unter einen umgestürzten Baumstamm geschoben. Wenn Charles nicht daran gedacht hätte, da nachzusehen …«
David war weiß wie ein Laken. Penny fasste ihn am Arm. »Kommt herein – alle sollten etwas Warmes in den Magen bekommen.«
Gemeinsam gingen sie ins Haus, doch Penny schaute noch schnell in der Küche vorbei, gab Anweisungen, dass alle Männer des Suchtrupps Ale und einen warmen Imbiss serviert bekamen, bevor sie sich zu den anderen im Salon gesellte, wo die Herren bereits einen Drink zu sich nahmen.
Über allem lag eine düstere Stimmung. Obwohl die meisten Mary nicht wirklich oder gar nicht gekannt hatten, gehörten auf dem Land die
Weitere Kostenlose Bücher