Geheimauftrag: Liebe
überhaupt? So wie sie vor dreizehn Jahren auseinandergegangen waren, schien ihm das eher unwahrscheinlich zu sein – bis zu dem Kuss vor nicht mehr als einer Stunde. Jetzt glaubte er, dass er hoffen durfte, und wollte die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen.
Es war zumindest eine Möglichkeit, mehr vielleicht nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Von dem Augenblick, in dem er sie um Mitternacht oben im Flur getroffen hatte, war er sich ihrer Reaktion auf ihn bewusst gewesen. Er fühlte sich in eine längst vergangene Zeit zurückversetzt, aber niemand wusste besser als er und sie, dass diese starke Anziehungskraft allein nicht genug war. Das hatte schon damals nicht gereicht und würde auch heute nicht anders sein.
Er musste ihr ein anderes Fundament geben als körperliches Verlangen, zu erkunden versuchen, was genau zwischen ihnen bestand, was sich daraus entwickeln und wohin es führen konnte.
Schon auf dem Hof in Wallingham hatte er den Wunsch verspürt, sie zu küssen, doch das war weder der rechte Ort noch die rechte Zeit gewesen. Beides kam, als sie ihn auf ihrem Weg von den Stallungen zum Haus anlächelte und ihm sagte, dass es richtig von ihr gewesen sei, ihm ihr Familiengeheimnis anzuvertrauen. Da war es um seine Selbstbeherrschung geschehen. Er hatte wissen wollen, ob sie ihm auch auf anderer Ebene traute. Ob es möglich war, dass sie sich wieder versöhnten – auch wenn er den Auslöser für ihre damalige Trennung gar nicht genau kannte.
Solche Unsicherheiten befielen ihn oft, wenn es um das weibliche Geschlecht ging. Ihn, der sich andererseits einbildete, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein. Der sogar überzeugt war, die Frauen manipulieren zu können. Alle, außer Penny. Für jemanden
seines Schlages ein ziemliches Debakel, und er hatte sich bereits deshalb ernsthafte Sorgen gemacht. Seit dem Kuss aber fühlte er sich beruhigt. Schließlich hatte sie nicht nur erlaubt, sie zu küssen, sondern es sichtbar genossen und seine Leidenschaft erwidert. Und das Ganze sogar absichtsvoll in die Länge gezogen.
Nun gut. Die erste Hürde war genommen, nur kannte er sie zu gut, um zu viel vorauszusetzen. Bis er daran denken konnte, ihr einen Antrag zu machen, war es noch ein weiter Weg. Zunächst musste er herausfinden, wie seine Chancen überhaupt standen, seinen Wunsch in die Tat umzusetzen.
Er saß da, starrte blind aus dem Fenster, während die Uhr auf dem Kaminsims tickte. Erst als sie die volle Stunde schlug, riss er sich von seinen Gedanken an Penny los, um sich mit seiner heiklen Aufgabe zu befassen.
Hier zumindest hatte er eine klare Vorstellung, wie er vorgehen musste. Die Information, die ein reuiger Schurke kurz vor seinem Tod preisgegeben hatte, schien im Wesentlichen zu stimmen. Jetzt lag es an ihm, die Details herauszubekommen und sie an Dalziel weiterzuleiten. Er war gut darin, solche Sachen aufzudecken. Auf die eine oder andere Weise würde er dem Treiben der Selbornes auf den Grund gehen.
Er griff nach dem Band mit den Landkarten, zog ihn zu sich heran und schlug ihn auf.
Penny schlenderte durch die Gärten, dachte nach und durchlebte im Geiste immer wieder die Momente auf dem Rasen unter den alten Bäumen. Diese Minuten in Charles’ Armen. Sie konnte seine Lippen immer noch auf ihren spüren und den Aufruhr in ihrem Innern fühlen. Sie musste den Verstand verloren haben, denn es war eindeutig kein kluger Einfall gewesen, ihrem Verlangen nachzugeben.
Auf der anderen Seite erschien es ihr schicksalhaft zu sein,
weil es früher oder später einfach geschehen musste. Diese elementare Anziehung zwischen ihnen, die sie von früher kannte und sich in den letzten Tagen erneut beständig aufbaute, hätte sich irgendwann und irgendwo entladen. Jetzt war es also geschehen. Ein heftiger Kuss, mehr nicht – und vielleicht konnte es dabei bleiben.
Sie blieb stehen, betrachtete stirnrunzelnd einen Rosenstrauch. Natürlich war damit ihre Empfänglichkeit für ihn mitnichten erledigt. Das, hatte sie begriffen, war eine Schwäche, unter der sie den Rest ihres Lebens leiden würde. Aber alles darüber Hinausgehende konnten sie sich möglicherweise schenken. Und das wäre zweifellos der beste Weg. Sie beschloss, sich daran zu halten.
Mit diesem Vorsatz kehrte sie in den Salon zurück. Da Charles nicht erschien, fluchte sie leise, läutete dann nach dem Tee. Als Filchett mit dem Tablett eintrat, trug sie ihm auf, ihr zu folgen, und ging zum Arbeitszimmer. Sie klopfte einmal an, wartete kaum
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