Geheimbünde: Freimaurer und Illuminaten, Opus Dei und Schwarze Hand (German Edition)
wird, wenn das Mitglied ihm nicht gewachsen ist.
Das sogenannte brüderliche Gespräch mit dem «geistlichen Leiter» scheint den Charakter eines Verhörs zu haben. Penibel wird untersucht, ob das Mitglied alle Pflichten erfüllt hat: «(…) täglich eine halbe Stunde Gebet am Morgen und eine halbe Stunde am Nachmittag, Gebet des Rosenkranzes, Gebet des ‹Angelus› bzw. des ‹Regina coeli› mittags um zwölf, ferner täglich Besuch der Eucharistiefeier mit Kommunionempfang, 15 Minuten ‹geistliche Lesung›, Besuch beim Allerheiligsten, Gebet der ‹Preces› . (das interne Gebet der Vereinigung), Gewissenserforschung; wöchentlich Empfang des Bußsakraments.» Dazu kommen Einkehr- und Besinnungstage und die «Normen von immer»: «Danksagungsakte, Sühneakte, Betrachtungen der Gotteskindschaft, Abtötungen (…)».
Der Glaube der zölibatären Mitglieder wird mit diesem ausschweifenden Ritualprogramm zu einem Exerzierplatz, über den die geistlichen Leiter mit Schleifer-Methoden regieren. Sie sind es, die bei Vergehen aus einer Liste sogenannter Abtötungen die geeigneten Strafen aussuchen: zusätzliche Gebete, Ernährungseinschränkungen, Schlafen auf dem Fußboden – eine Vorstufe der Geißel und desBußgürtels. Kaum zu fassen ist, dass für weibliche Numerarier diese Art zu schlafen der Normalzustand ist.
Den Mitgliedern offenbart sich das Opus Dei als Ausdruck geheiligter Strenge. Es suggeriert, purer katholischer Glaube zu sein, «rein, makellos, heilig, unveränderlich, unbefleckt und unsterblich». Oder wie es in der nur Führungskräften zugänglichen Zeitschrift «Crónica» heißt: «Das Opus Dei besitzt eine ewige Jugend, die aus seiner inneren Natur stammt, und ein göttliches, dynamisches Wesen, das sich ständig erneuert.»
Das Opus Dei: unfehlbar wie der Papst – und augenscheinlich unergründlich wie die Wege des Herrn. Denn nicht nur sein elitärer Anspruch erinnert an einen Geheimbund, sondern auch das feingewebte Machtgeflecht, das für Außenstehende und Neumitglieder kaum zu durchschauen ist. Dessen Basis ist eine 15-stufige Hierarchie. Ganz oben stehen: Prälat, Generalvikar und Priestersekretär, die sämtlich Priester sind. Dann folgen die Regionalvikare (Priester als Leiter der Regionen). Auf der mittleren Ebene folgen die weiteren Priester und einige Laien-Numerarier, die als Inscritos und Inscritas Führungsaufgaben für ihre Abteilungen übernehmen. Darunter rangieren unter anderem Assoziierte, Supernumerarier, Numerarier und die 14- bis 17-jährigen Aspiranten auf Opus-Dei-Mitgliedschaft.
Wenn schon die interne Struktur des Opus Dei autoritär und hierarchisch geprägt ist, wie sieht das «Gotteswerk» dann die Außenwelt? Einen Hinweis darauf entdeckte Peter Hertel in der Geheimschrift «Geist und Fromme Gewohnheiten». Er fand darin Anweisungen, mit dem kostbaren Gut der Nächstenliebe nicht wahllos umzugehen: «An erster Stelle stehen die Mitglieder des Opus Dei, diejenigen, die schon in unserer Gemeinschaft sind», heißt es dort. Erst an zweiter Stelle habe die leibliche Familie des Gläubigen zu stehen. Nach dieser darf der gläubige Anhänger Nächstenliebe an Katholiken verschwenden, die man noch für das Opus Dei gewinnen will. Noch tiefer rangieren die vom wahren Glauben Abgefallenen, nämlich diejenigen, «die sich Christen nennen, oft aber Christus nicht kennen. Zuletzt alle anderen: alle Seelen, alle, alle».
«Herz beiseite – erst die Pflicht»
Je weiter ein Mitglied in der Hierarchie eines Geheimbunds nach oben steigt, desto mehr erfährt es über dessen Strukturen und Absichten. Im Opus Dei handhabt man dies nicht anders. Das Nichtwissen großer Teile der Mitglieder über das «Gotteswerk» wird als elterliche Fürsorge interpretiert, wie aus einer internen Schulungsschrift hervorgeht: «Das Opus Dei ist eine Familie (…), und die Söhne brauchen – wie das in Familien der Fall ist – nicht in alles eingeweiht zu sein, was die Eltern stark beschäftigt, und die jüngeren Söhne brauchen nicht um alles zu wissen, was den Eltern und den älteren Söhnen bekannt ist», heißt es im «Vademekum für die örtlichen Räte». Von Töchtern ist nicht einmal die Rede.
Ergänzt wird dieses System des Unwissens durch ein ausgeprägtes Zensurwesen. Das Opus Dei besitzt ein Verzeichnis verbotener Bücher. Es umfasst 60 000 Titel und wird ständig größer. Ohne Erlaubnis darf nicht einmal in der Schule oder im Studium mit Werken aus diesem Verzeichnis
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