Geheimcode Misty Hazard (German Edition)
und arbeitete mit Geheimdienstberichten. Meine Wahl fiel auf eine bunte Mischung von Soldaten aus Spezialeinheiten und Geheimdienstlern, die ich der Reihe nach entführen und hierher schaffen ließ. Sie, Eileen, gehörten zu den zwanzig Entführten.«
Eileen schluckte.
Er sprach von zwanzig Entführten. Mit den fehlenden fünf, die nicht auf jeder Liste des Projektes Misty Hazard erschienen. Nur auf der, die Eileen zugespielt worden war.
»Sie entführten uns«, echote sie lahm. Sie wünschte sich Armlehnen oder echte Polster herbei, in die sie ihre Finger krallen konnte. Irgendetwas, an dem sie sich festhalten konnte. Aber da war nichts. Und als Hardy das aussprach, was sie insgeheim schon befürchtete, spürte sie einen Sturz ins Bodenlose.
»Ich habe Sie und die anderen mit neuem genetischen Material versorgt«, sagte Professor John Hardy langsam. »Sie und die anderen … sind Klone.«
Eileen fühlte einen nicht enden wollenden Fall in einen tiefen, dunklen Schlund.
14:36 Uhr
Meryem Taha wartete an der Konsole. Sie hätte die Angreifer lieber auf der Plattform gestellt, wo sie eine offene Feuerzone gehabt hätte, doch dafür war es zu spät. Der General und seine Männer befanden sich bereits in den Korridoren. Auch wenn sie nicht den direkten Weg zu diesem Saal kannten, würden sie früher oder später hier auftauchen. Meryem nahm sich vor, nicht lange zu fackeln. Sie musste das Überraschungsmoment ausnutzen, ehe die anderen wussten, wie ihnen geschah.
Entspannt lehnte sie sich über die Konsole, legte den Lauf des Abakan-Sturmgewehres darüber und blickte über das aufmontierte Zielvisier zum Eingang. Sie war zunächst dankbar, dass Eileen sie in die Kommunikation mit dem Professor geschaltet hatte, doch als sie erfuhr, dass die Hazarder Klone waren, sank sie in die Knie. Sie senkte das Gewehr und bemerkte nicht ihr Zittern am Abzug.
Den ersten Schock überwand sie, indem sie die Augen schloss und tief durchatmete. Im zweiten Schritt verbannte sie alles, was sie über Gentechnik aus der Presse oder während ihrer Ausbildung im libanesischen Geheimdienst gelernt hatte, aus ihren Gedanken. Sie rief Bilder aus ihren Erinnerungen ab.
Bilder der Vergangenheit.
Ihr Leben als Kind in den Straßen Beiruts. Die Ermordung ihrer Eltern bei der Explosion einer Autobombe. Ihr Schwur, deren Tod zu rächen, als sie zunächst in die libanesische Armee eintrat und sich später dann vom Geheimdienst anwerben ließ.
Sie hatte all das erlebt. Es waren reale Erinnerungen, Erfahrungen, die sie gemacht hatte. Sie war ein Mensch, auch wenn ihr diese Erinnerungen nachträglich in die Gedächtnisspeicher dieses Körpers eingepflanzt worden waren.
Das Geräusch von Schritten riss sie aus den Gedanken. Meryem besann sich auf ihre Ausbildung. Feldagenten eines Nachrichtendienstes wurden als Spione bezeichnet, weil die Allgemeinheit irrtümlich annahm, sie würden sich auf die Beschaffung von Informationen beschränken. In Wahrheit waren Agenten jedoch nichts anderes als Auftragsmörder, die potenzielle Gefahren für das eigene Land eliminierten. Die dafür relevanten Informationen beschafften die Analysten hinter ihren Computern, die Daten im weltweiten Informationsnetz abfingen, entschlüsselten, auswerteten und den Feldagenten, den Mördern, zur Verfügung stellten.
Meryem war gut in ihrer Arbeit.
So gut, dass Captain Robert Gainsworths Schlagader von der ersten 5,45-mm-Kugel aus dem AN-94 ohne Vorwarnung zerfetzt wurde und ein rauschender Strahl Blut aus seinem Hals schoss. Das zweite Projektil des Kurzfeuerstoßes drang ihm nur den Bruchteil einer Sekunde darauf zwischen die Augen in den Kopf und erstickte einen schmerzhaften Aufschrei im Keim.
Mit einem minimalen Schwenk des Laufs gab Meryem einen zweiten Feuerstoß auf den General ab, der hinter Gainsworth in dem Torbogen erschien und sich beim peitschenden Knall des Sturmgewehrs mit einer blitzschnellen Drehung abwandte. Doch er war nicht schneller als die beiden Geschosse. Meryem sah, wie der Stoff seines teuren Nadelstreifenanzugs aufflockte und sich rot färbte. Brust. Schulter. Sie hatte ihn erwischt, wusste aber nicht, ob die Wunden tödlich waren.
Wieder ein Schwenk des Laufs.
Das Mündungsfeuer einer FN-P90 zwang sie in Deckung. Callahan war auf der anderen Seite des Torbogens aufgetaucht und bestrich die Halle mit einer Garbe Gefechtsmunition. Das dumpfe Rattern des Gewehrs erfüllte die Halle. Funken stoben an der Konsole und dem Boden auf.
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